Mit der „Matthäus“-Expedition „Area 7“ verwandelt Aktionskünstler Christoph Schlingensief das Wiener Burgtheater ab kommenden Dienstag in eine begehbare Theaterinstallation. DER STANDARD erhielt erste Einblicke.
Von Margarete Affenzeller
Mit seiner vazierenden Drehbühneninstallation – „Area 7“ heißt sie am Wiener Burgtheater – hat Christoph Schlingensief den Begriff des „Animatografen“ wiedererweckt. Nach dem Modell dieses historischen kinematografischen Projektionsverfahrens (ursprünglich: Theatrograf) baut er derzeit im Großen Saal des Hauses am Ring mit seinen Mitarbeitern auf: eine sich in amalgamierten Räumen, Schläuchen und Gängen ausdehnende Installationsschleife von Endlosprojektionen.
In einem aus Stellwänden vom Bühnen- bis weit in den Parkettraum hinein begrenzten Bereich erstreckt sich dieses begehbare Raumagglomerat, in dessen Inneren Geschichte und Gegenwart, Mythologie und Kunst aufeinander projiziert werden. Der Raum des 11. Septembers konfrontiert beispielsweise mittels aktueller Filmszenen aus Namibia mit dem Hereroaufstand in Deutsch Südwestafrika 1904-1907. Am Anfang aber war Bayreuth:
Schlingsiefs Mythenparkvisionen nahmen an seiner dortigen „Parsifal“-Inszenierung 2004 ihren Ausgang. In Island, seiner ersten Animatografenstation, nahm er die Edda mit an Bord. Dann, in Neuhardenberg, errichtete er einen Parsipark im Wald.
Der neue Name, „Area 7“, bezieht sich auf die gleichnamige Containersiedlung in Namibia, die der Künstler im vergangenen Herbst mit seiner mit Patti Smith oder Irm Hermann ingeniös besetzten Arche Noah zum Filmen („The African Twin Towers“) aufsuchte. Erinnert an Werner Herzog, und wenn’s wahr ist, wird entsprechend als nächstes auch die Amazonas-Hauptstadt Manaus angepeilt.
Am Schiff, das seit Namibia zur Installationsfracht gehört, wird noch herumgesägt, und es wird hoffentlich zum ersten Termin am 17. Jänner beim größten Tor des Burgtheaters hindurchgepasst haben. Es soll sich in dem von der Midgardschlange (aus der nordischen Mythologie) eingefassten „Prunksaal“ (Schlingensief) der „Area 7“ auf einer kleinen Bühne drehen. Hier malen derzeit noch Karin Witt und Klaus Beyer an Plakaten. Patti Smith wird in Schrödingers Katzenkammer dem Punk nachgeben, Robert Stadlober im Raum der „Forschungsgruppe Religion“ an der Gitarre hantieren.
Irgendwann in diesem Parcours, durch den Schlingensief und seine Mithelfer im Halbstundentakt selbst führen, stößt man an die „Mitleidsgrenze“ (aus Parsifal) oder an die „Berliner Mauer“. Man kann drübergucken und sieht dort dann Joseph Beuys Totenmaske in Großformat.
Das Burgtheater wird für die Dauer der jeweiligen Installationsbegehung zum im gesamten Haus erfahrbaren Raum. Wer den „Kunstausgang“ des Animatografen absolviert hat, kann sich den im Haus stationierten Aktionen der Schlingensief-Crew widmen.