Die «Parsifal»-Inszenierung von Christoph Schlingensief bei den Bayreuther Wagner-Festspielen spaltet das Publikum auch im dritten Jahr. Neben Buhs für den Regisseur gab es Applaus und Bravo-Rufe
Von Stephan Maurer
Keine andere Inszenierung ist bei den Bayreuther Festspielen so umstritten wie der «Parsifal» von Christoph Schlingensief. Auch im dritten Jahr zeigt sich das Publikum gespalten. Laute Buh-Rufe schallten dem Regisseur entgegen, als er nach der Aufführung am Mittwochabend vor den Vorhang trat. Es gab aber auch Applaus und Bravo-Rufe. Schlingensief quittierte die Reaktionen, indem er lächelnd ins Publikum winkte und die Faust ballte.
Großen Beifall bekamen der Chor und das Festspielorchester mit dem Dirigenten Adam Fischer, der eine präzise, wenn auch etwas spannungsarme und zeitweise recht weihevolle Auslegung der Wagnerschen Erlösungsoper bot. Auf gutem Niveau agierte das Sängerensemble mit Alfons Eberz in der Titelrolle, Robert Holl als Gurnemanz, John Wegner als Klingsor und Evelyn Herlitzius als Kundry. Alexander Marco-Buhrmester sang den Amfortas, Jyrki Korhonen den Titurel.
Mit «Parsifal» ist der erste Aufführungszyklus bei den Richard- Wagner-Festspielen beendet. Bis zum 28. August stehen noch 22 Aufführungen im knapp 2000 Zuschauer fassenden Festspielhaus auf dem Programm.
Religionskonflikt im Mittelpunkt
Schlingensief hat seine optisch opulente, um Projektionen und Filmeinspielungen bereicherte Inszenierung in diesem Jahr nochmals umgebaut. Er nimmt sich nun des Religionskonflikts zwischen Christentum und Islam an und lässt die Kundry als schwarz gewandete islamistische Kämpferin auftreten. Arabische Symbole und Zeichen ergänzen die ohnehin schon überaus anspielungsreiche Szenerie. So wird etwa die arabische Übersetzung eines Textes von Friedrich Hölderlin aus dem «Hyperion» eingeblendet.
Auf der mit zahlreichen Aufbauten zugestellten Drehbühne versammelt Schlingensief ein buntes Personal von der Urmutter Gaia bis hin zu einem Parsifal-Doppelgänger. Anders als von Richard Wagner erdacht, spuken der sieche Amfortas durch den zweiten und der entmannte Klingsor durch den dritten Akt. Am Ende streckt Parsifal den Amfortas mit dem Speer nieder, danach sterben er und Kundry selbst durch die Waffe.
Eine der ungewöhnlichsten Produktionen
Dieser «Parsifal» ist zweifellos eine der ungewöhnlichsten Produktionen, die je in Bayreuth gespielt wurden. Auch wenn die Ablehnung bei Teilen des Publikums groß ist, tut ein solches Projekt den Festspielen gut. Denn bei der Wagner-Interpretation hat Bayreuth starke Konkurrenz bekommen. Ambitionierte Inszenierungen sind heutzutage an vielen Opernhäusern zu sehen. Den interessanteren Wagner gebe es längst auf anderen Bühnen als Bayreuth, meint etwa die Wagner-Urenkelin Nike Wagner.
Bei den Festspielen soll als Reaktion darauf die Laufzeit der Inszenierungen verkürzt werden, um öfter etwas Neues bieten zu können. Aber unabhängig davon ist in den nächsten Jahren auch auf dem «Grünen Hügel» für Spannung gesorgt. 2007 wird Katharina Wagner, Tochter des Festspielchefs Wolfgang Wagner (86) und möglicherweise seine Nachfolgerin, ihre erste Bayreuth-Inszenierung vorlegen, «Die Meistersinger von Nürnberg». Das weltweite Interesse daran dürfte groß sein.
Wer inszeniert den neuen «Parsifal»?
Die Wagner-Gemeinde rätselt außerdem, wer den angekündigten neuen «Parsifal» im Jahr 2008 inszenieren wird. Und dann ist da noch die Frage, wie es wohl mit dem neuen «Ring» weitergeht. Die diesjährige Neuinszenierung von Tankred Dorst soll bis 2010 auf dem Spielplan stehen. Hinter den Kulissen wird darüber gerätselt, ob der 80-jährige Dramatiker Dorst auch in den nächsten Jahren nach Bayreuth kommen wird, um die noch recht unfertige Produktion zu verbessern.
Dorst verstand sich nicht mit dem Dirigenten Christian Thielemann. Manche bezweifeln daher, dass sich der Autor den Zwist auf dem «Hügel» nochmals antun will.