Das Kölner Museum Ludwig zeigt Christoph Schlingensiefs „Church of Fear“ und die „Naked Drawings“ von Dan Perjovschi.
von Johanna di Blasi. Kölner Stadtanzeiger
Auf der südlichen Dachterrasse des Museum Ludwig, zur Altstadt hin, hat sich eine kleine weiße Kapelle eingenistet. Wie ein Schifflein schmiegt sie sich in die postmoderne Dachlandschaft. Ein stürmisch aufgepeitschtes Meer meint man in den Abwehr signalisierenden grauen Dachzinnen zu sehen. Bei der Kapelle handelt es sich um die „Kirche der Angst“ („Church of Fear“, CoF). Ihr Urheber ist der Filmemacher, Theaterregisseur und Aktionskünstler Christoph Schlingensief.
Aus einem Lautsprecher im Glockenturm des „unschuldigen Kirchleins“ (Museumsdirektor Kasper König) sind deutlich Muezzin-Gesänge zu hören. Ausgestattet ist es mit einem Beichtstuhl und einem unkonventionellen Bildprogramm: buddhistische Motive, ein Mopsarsch, ein verwesender Hase. Der Hasenverwesungsfilm ist auch das Schlussbild von Schlingensiefs „Parsifal“-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen.
Durch einen Sehschlitz kann man auf einen Monitor blicken, der Livebilder von der Domplatte sendet. Dort ist eine Webcam installiert. Man findet sich in der Rolle des ängstlich Blickenden, es könnte aber auch die Perspektive eines Heckenschützen sein. Sollte etwas passieren, ist die „Church of Fear“ life dabei. Das Museum setzt mit Blick auf den Weltjugendtag ein weithin sichtbares Zeichen: vielschichtig, abgründig und makaber.
„Ich bin zwölf Jahre Messdiener gewesen. Ich bin Katholik“, unterstrich der stets manisch aufgewühlte Aktionskünstler in Köln. Seine CoF betrachtet er als „schlechtes Gewissen der Kirche“. „Wir lassen nicht zu, dass »Monopolisten der Angst« in Kirche, Politik und Medien mit unseren Ängsten machen, was sie wollen. Wir sagen Ja zur Angst. Wir addieren und sublimieren Angst“. In den sonderbaren Symbolen der CoF sieht Schlingensief Aspekte von Transformation und Auferstehung.
Die kleine Holzkapelle ist 2003 schon auf der Biennale in Venedig zu sehen gewesen. Mit einer spektakulären Pfahlsitzaktion hat Schlingensief damals anlässlich des Kriegsbeginns im Irak die Angstkirche spontan ins Leben gerufen. Freiwillige harrten nach dem Vorbild frühchristlicher Säulenheiliger zum Zeichen ihrer Askese und entschlossenen Selbst- und Angstüberwindung tagelang auf grob gezimmerten Podesten aus.
Von der Kölner Domplatte aus startete dann im Herbst 2003 „Der Schreitende Leib“, eine CoF-Prozession. „Kein Gott, kein Götze wird uns leiten! Volle Angst voraus“, predigte das „Gemeindemitglied“ Schlingensief damals. Mit saloppen Parolen wie „Recht auf Terror“ oder „Ich bin ein Schläfer“ brachten die Angstpilger Dorfbewohner gegen sich auf. Auch in Nepal ist die Angstkirche schon gewesen. „Dort fliegen Götter und Geister wild durcheinander“, hat Schlingensief beobachtet. Ähnliches lässt sich von der CoF behaupten.