Zadek: „Das deutsche Theater ist zusammengebrochen“

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„Peymann soll 2008 Bachler als Burgtheater-Chef folgen“

Peter Zadek in NEWS Österreich.

Zadek übt harte Kritik an seinen Regiekollegen
Burgtheater-Rückkehr als Regisseur ausgeschlossen

Peter Zadek, der soeben am Akademietheater Strindbergs „Totentanz“ herausgebracht hat, wünscht sich die Rückkehr Claus Peymanns an die Spitze des Wiener Burgtheaters, wenn Klaus Bachler das Haus 2008 in Richtung München verlässt. Zadek in der aktuellen NEWS-Ausgabe: „Man soll Peymann zurückholen. Das wäre sensationell. Er ist noch frisch genug, und in Berlin herrscht eine endlose finanzielle Katastrophe. Peymann ist der beste Intendant der Welt. Der geborene Intendant, wenn man von Kurt Hübner absieht. Aber der ist 89. Ansonsten fällt mir nicht so schnell jemand ein. Jemand wie Baumbauer schafft das natürlich, ob es aber das beste Theater bringt, weiß ich nicht. Mir wäre jemand Verrückter wie Peymann lieber.“

Äußerst kritisch äußert sich Zadek in NEWS zum oft als Kandidat genannten Österreicher Martin Kusej: „Da müsst ihr euch selber entscheiden, ob ihr bescheuert seid oder nicht. Das will man sich überhaupt nicht vorstellen!“ Und über Kusej als Regisseur: „Da könnte man doch ganze Listen machen, Herr Thalheimer und wie sie alle heißen. Einige von denen sind begabt, aber wer nicht mit der Mode geht, hat keine Chance.“

Über den zuletzt oft genannten Ulrich Khuon, den Intendanten des Hamburger Thalia Theaters: „Ein besonders netter Mensch und ein erfolgreicher Intendant, der typisches ,Middle of the way’-Theater macht – alles was ,in’ ist arbeitet bei ihm. Er wollte, dass ich bei ihm etwas mache, aber ich habe abgelehnt, weil mich das ein bisschen langweilt.“ Andrea Breth? „Da müsste man einen jungen Baumbauer finden und sie in eine Konstellation einbinden.“

Auch als Regisseiure schätzt Zadek die genannten Kollegen nicht
Über Breth: „Ich kenne sie seit 100 Jahren. Sie ist sicher eine tolle Regisseuse. Nur was sie macht, hat mich ehrlich gestanden noch nie interessiert, weil das alles stilisiert ist. Mich langweilt das, wenn Leute in Formen gestülpt werden. Ich mag Freiheit in jeder Form. Meine Hauptaufgabe ist es, Schauspieler realistisch zu machen und von Zwängen zu befreien. Aber das deutsche Theater hat sich von allem, was ich mache, weg bewegt.“

Über Castorf: „Das ist ein großer Regisseur, der aber mittlerweile immer wieder dasselbe macht. Damit ist er in Berlin unten durch. Niemand geht dort mehr rein. Wer will jedesmal dieselbe Inszenierung sehen? Das ist die DDR-Krankheit, gegen die noch kein Arzt gefunden wurde. Marthaler ist ein ähnlicher Fall: der andere tolle Regisseur, der immer dasselbe macht.“

Sie alle seien Befallene des DDR-Theaters, klagt Zadek im NEWS-Gespräch: „Als ich in den frünfziger Jahren aus der Emigration nach Deutschland kam, gab es dort nur rhetorisches Theater. Ich habe begonnen, denen realistisches Theater beizubringen. Leider ist seit der Wiedervereinigung die Theaterpest aus der DDR wie ein Nebel über uns gekommen. Das deutsche Theater ist zusammengebrochen. Es existiert nicht mehr, und es interessiert auch niemanden mehr. Es regiert das abstrakte Konzepttheater, das außerhalb von Deutschland und Österreich als lächerlich empfunden wird. Da wird es sehr schwierig für mich, weil ich jedes Mal wieder bei Null beginnen muss. Leider gibt es jetzt so viele Formen von Konzepttheater. Frau Jelinek ist auch nichts anderes. So etwas wie „Babel“ (Jelineks am Akademietheater uraufgeführtes Irak-Stück, Anm.) halte ich nicht aus. Nicht etwa, weil es chaotisch ist. Zum Beispiel amüsiert mich enorm, was der Schlingensief macht. Der hat Humor, Witz und Spaß und ist doch nicht nur Jux. Aber dieses pseudosurrealistische Theater von Babel und Umgebung finde ich unerträglich. Man ist so weit, dass man „Bunbury“ (Jelineks Wilde-Bearbeitung unter Falk Richter am Akademietheater, Anm.) nur erträgt, wenn es erst umgeschrieben und dann zum Stück für Pervertierte inszeniert wird. Das ist doch einfach eine Lüge. Und ich mag Lügen nicht. Nicht, dass ,Bunbury’ es überleben würde. Aber die jungen Leute die das und nichts anderes sehen! Die Hochschulen wisse schon nicht mehr, wo sie ihre Studenten hinschicken sollen, um etwas Normales zu sehen. Ich versuche die Welt so zu beschreiben, wie ich sie sehe, und sie dann auf eine Weise zu übertragen, dass die Menschen darüber nachdenken können. Ich will nicht, dass alle auf Rollschuhen kommen, weil die Welt nicht auf Rollschuhen fährt. Wenn ich heute einen jungen Schauspieler frage, ob er ,Minna von Barnhelm’ mag, sagt er: ,Ja, das hab ich gesehen, da stehen die doch alle hinten auf der Bühbne, brüllen in den Zuschauerraum und werden dann erschossen.’ Sie lesen nichts, sie sehen nichts, sie hören nichts. Es ist furchtbar.“

Im deutschen Sprachraum schätze er überhaupt nur drei Regisseure, fügt Zadek im NEWS-Gespräch hinzu: „Luc Bondy und Klaus Michael Grüber sind die einzigen, die mich derzeit am deutschsprachigen Theater interessieren. Und Schlingensief. Einen wie ihn muss es immer geben, sonstwird es langweilig. Bei zweien wäre ich mir schon nicht mehr so sicher.“

(Das ganze Interview steht im Internet nicht zur Verfügung, sondern ausschließlich in der Juni-Ausgabe des österreichischen NEWS-Magazins)