Am Wiener Burgtheater hatte Freitagabend Christoph Schlingensiefs neueste Arbeit Premiere. Sie nennt sich „Mea culpa“, im Untertitel „Eine Ready Made Oper“. Der deutsche Theater und Filmemacher hat in Wien, etwa mit seiner Container-Aktion vor der Staatsoper und mit Elfriede Jelineks „Bambiland“ Publikum und Kritik gespalten. Nach seiner schweren Krebserkrankung hat Schlingensief seine Arbeit nun wieder aufgenommen und thematisiert den Krebs auch in seinen neuesten Produktionen.
Beeindrucktes Publikum
Das gesamte Ensemble aus Laiendarstellern, Schauspielstars, Musikern und Sängern wurde vom Premierenpublikum einhellig bejubelt und allen voran natürlich Christoph Schlingensief. Das Publikum schien sich gar nicht mehr aus den Sesseln erheben zu wollen, wartetet ab, als wollte es noch mehr wissen, noch mehr erfahren oder einfach nachdenken über das, was es da gerade zweieinhalb Stunden lang gesehen und erfahren hatte.
Es begann mit „Parsifal“ und endet mit „Tristan“ von Richard Wagner. Auf der sich immer wieder drehenden Bühne, die einmal Gralsburg, Festpielhaus, ein Ayurvedaheim oder Krankenzimmer ist, entwickelt Schlingensief ein Feuerwerk an Szenen, die ständig zwischen Komik und Tragik irrlichtern, er setzt Filme ein – eigene und fremde -, überzieht die Bühne mit Videprojektionen von Insekten und Seehunden und er tritt zwischen seinen Figuren sogar einmal selbst auf, wenn es um Dokumente von Krebserkrankungen geht.
Christoph Schlingensief ist froh, wieder arbeiten zu können und wie immer in seinen Arbeiten macht er das Höchstpersönliche zum Hochpolitischen, spielt mit Bedeutungs- und Assoziationsketten, um die Menschen zu berühren und um etwas mitzuteilen, etwa, wenn er lebensverlängernde Maßnahmen der Intensivmedizin thematisiert.
Auf der Bühne und im Leben
Schlingensiefs alter ego ist Burgschauspieler Joachim Meyerhoff, assistiert von den beiden Faßbinder-Schauspielerinnen Margit Carstensen und Irm Hermann, von Fritzi Haberland, Hermann Scheidleder und vielen anderen. Von Europa macht man sich auf, ein Festpielhaus in Afrika zu gründen, was Schlingensief übrigens auch in Wirklichkeit vorhat.
Anders als in seinem letzten gefeierten Projekt in Deutschland, das heuer das Berliner Theatertreffen eröffnen wird und Publikum und Kritik tief erschüttert hat, zeigt „Mea culpa“ schon wieder große Angriffslust und viel Komik.
So mancher war gestern bei der Uraufführung am Burgtheater noch skeptisch, als nach dem ersten Akt eine längere Pause folgte, doch danach fand “ Mea Culpa“ seine chaotische Folgerichtigkeit, anders kann man Schlingensiefs Oper mit der frisch komponierten Musik von Arno Waschk nicht charakterisieren.
Isoldes Liebestod, gesungen von der Elfriede Rezabek aus dem wunderbaren Laienensemble, traf vielleicht einige tief, die in der Oper am liebsten die Ohren zuhalten möchten – und auch das ist eine nicht geringe Leistung von Christoph Schlingensief.
Ö1 Inforadio – Gernot Zimmermann