Er ist Filmemacher, Regisseur, Theater-Intendant, Aktionskünstler. Und Visionär: Im Kopf von Christoph Schlingensief entsteht das Bild eines Festspielhauses in Afrika.
Ein Haus, das afrikanische und europäische Kulturen verbindet und so zu einer Erneuerung der totgespielten Oper führt. Und ein Gedanke, der den krebskranken Schlingensief mit Lebensenergie füllt.
DW-WORLD.DE: Wann ist die Idee zu diesem Festspielhaus entstanden?
Schlingensief: Ich arbeite seit 1993 an dieser Idee, da habe ich erste Kontakte mit Afrika gehabt. Das war in Simbabwe und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und entdeckt, dass Afrika mehr ist als das übliche Bild von Krisen und Elend, sondern auch viele Kulturschätze zu bieten hat.
Sehen Sie das Programm des Festspielhauses daher eher als Kulturaustausch oder wie soll das aussehen: Wagner in Ouagadougou?
Letzteres wäre eben das normale Übel. Aber das Interessante ist ja eigentlich, dass die Oper in Burkina Faso, wo ich jetzt gerade herkomme, überhaupt nicht bekannt ist. Das ist die ideale Grundlage, um die Oper noch einmal neu zu entdecken und neu zu gestalten. Ich habe jetzt Alexander Kluge getroffen, fünf Tage haben wir diskutiert und überlegt: Warum ist die Oper bei uns immer so betoniert, warum spielen feine Stoffe und feines Licht so eine Rolle, wobei die Oper im 15. und 16. Jahrhunderten doch in gemeinsamer Arbeit von Intellektuellen und Volk entstanden ist. Im afrikanischen Bereich muss man anders anfangen. Deswegen wollen wir mit einer Schule die Grundstrukturen legen, Schreiben und Lesen lehren, eine Krankenstation, und dann geht es weiter mit Unterkünften. Und dann wird sich die Oper über Sprache und Körper neu definieren.
Das Goethe-Institut und das Auswärtige Amt wollen dieses Festspielhaus unterstützen. Wie frei sind Sie denn dann noch in dem, was Sie da machen wollen?
Also im Moment bin ich super frei. Ich habe das große Glück dieser Unterstützung. Wir fahren in einem kleinen Team durch das Land, mit einem Burkinabe, einem Architekten. Und der hat ganz eigene Vorstellungen von dem, was gebaut werden soll, mit natürlichen, lokalen Materialien. Und da sind wir frei. Ich hoffe auch, dass wir noch weitere, private Sponsoren finden. Es wollen sich auch noch einige Privatpersonen beteiligen, Jürgen Flimm etwa oder Daniel Barenboim.
Sie haben die Architektur schon angesprochen: Was wird da entstehen – ein pompöses Haus wie in Europa oder tatsächlich etwas fürs Volk?
Wir haben da zum Beispiel ein Amphitheater entdeckt, oder auch ein einfaches Gebäude, dass nicht nur in Beton gedacht ist, mit Holz und Leinenstoffen. So dass man bei Abendveranstaltungen wie im Freien sitzt. Ich stelle mir das Gebäude so vor, dass es ein Atrium hat und dass es sich immer wieder öffnet.
Wie sicher ist es denn, dass das Festspielhaus in Burkina Faso entsteht?
Nun ja, Kamerun hat mir kulturell schon sehr gut gefallen. Aber diese feuchte Hitze macht mich fertig, ich bin auch gesundheitlich noch nicht so auf der Höhe. Das hat in Burkina Faso besser geklappt. Und uns interessiert auch noch Tansania, auch wegen der Unterstützung durch Bundespräsident Köhler. Aber mein Herz schlägt im Moment schon sehr für Burkina Faso.
Sie haben ihre gesundheitlichen Probleme erwähnt. Und sie haben einmal gesagt, Afrika könne ein Weg aus der Krankheit sein. Wieso?
Für mich war Afrika das Ding wo ich gesagt habe, da war ich immer zu Hause. Es hat mir immer gut getan, dorthin zu fahren. Und hier kann ich noch was tun. In Deutschland lebe ich ja eigentlich ideal, kann überall rum fahren, habe meine Opernhäuser – aber ist es das? Kann ich da noch was machen? Wir sind so zugeballert. Und in Afrika sehe ich die Kinder, wie sie jeden Buchstaben inhalieren und wissen: Das ist die Zukunft.
Das Gespräch führte Christine Harjes. Redaktion: Dirk Bathe.
Deutsche Welle, 03.06.2009