Christoph Schlingensief im ARD-Porträt.
Von Markus Ehrenberg, Der Tagesspiegel vom 9.7.2009
Filmemacher, Theatermann, Opernregisseur, Hörspiel- und Buchautor, Professor – Christoph Schlingensief hat es sich verdient, in die ARD-Reihe „Deutschland, deine Künstler“ aufgenommen zu werden. Man muss sich nur mal die gängige Definition eines Künstlers heranziehen: ein kreativ tätiger Mensch, der Kunstwerke schafft oder Konzepte zur Realisation bereitstellt. Schlingensiefs Ideen reichen für zwei Leben. Dazu kommt die Krebs-Diagnose im Januar 2008, die Entfernung eines Lungenflügels und eine Chemotherapie, die den ohnehin nie medienscheuen Künstler noch mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt haben.
Sibylle Dahrendorf hat den Regie-Berserker ein Jahr lang begleitet: von der Wiederaufnahme seiner Arbeit nach der schweren Operation bei den Proben zu „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“, eine persönliche Auseinandersetzung mit seiner Krankheit, oder auf den Reisen nach Afrika, die der nur langsam Genesende 2009 unternommen hat. Dort sucht Schlingensief nach dem idealen Ort für die Erfüllung eines Traums, ein Festspielhaus in Afrika. Am bewegendsten aber: Bilder aus Oberhausen, der Geburtsort, Besuch bei der Mutter, Kinderfotos, sein Kommentar mit brüchiger Stimme: „zurückkommen, sich erinnern“.
Man denkt, bei aller Todesnähe in Kunst und Leben, an das einzige Kind, das niemals erwachsen wird. Vielleicht ist das aber auch wieder Spiel mit der Authentizität. Vielleicht ist Christoph Schlingensief in 45 Minuten genauso wenig zu fassen wie die Krebs-Krankheit, die den impulsiven Nichtraucher laut Dramaturg Carl Hegemann eigentlich gar nicht hätte treffen können. Überhaupt, seine Freunde – eine Freude für jeden Porträtisten. Tilda Swinton, Helge Schneider oder Lebensgefährtin Aino Laberenz, die über „letzte Stunden“ mit Schlingensief spricht. Und Patti Smith, die sagt : „Er ist der wahre Peter Pan.“ Markus Ehrenberg
„Deutschland, deine Künstler“, ARD, 22 Uhr 45