Wilfried Mommert über Christoph Schlingensiefs Opernprojekt in Afrika
Ouagadougou – Es ist erreicht: Christoph Schlingensiefs langgehegter Theatertraum in Afrika wird wahr. Bei der Grundsteinlegung für sein „Operndorf“ in Burkina Faso rief er sogar Goethes Faust als Schutzpatron an, umrahmt von folkloristischen Darbietungen in Anwesenheit von Stammeshäuptlingen der Region wie auch Vertretern aus Kultur und Politik. „Ein Traum wird wahr, den zu verwirklichen vielleicht etwas anstrengend ist. Aber ich kann nur staunen und bin sehr, sehr glücklich“, sagte der an Lungenkrebs erkrankte Regisseur.
„Verweile doch, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdetagen nicht in Äonen untergehn. Im Vorgefühl von solchem hohen Glück genieß‘ ich jetzt den höchsten Augenblick.“ Mit diesem „Faust“- Zitat und dem ersten Spatenstich in Laongo unweit von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou erfüllt sich 49-jährige Berliner Regisseur, der mit Filmen wie „Das deutsche Kettensägenmassaker“ bekannt wurde und in Bayreuth Richard Wagners „Parsifal“ inszenierte, einen Herzenswunsch.
„Von Afrika lernen“ steht als Motto über dem gesamten Projekt, das auch Bundespräsident Horst Köhler und andere Prominente wie der Sänger Herbert Grönemeyer, der Schriftsteller Henning Mankell und Hollywood-Regisseur Roland Emmerich unterstützen. Und das Goethe-Zitat zur Grundsteinlegung mag auch eine Reverenz vor einem anderen Projektpartner sein – dem Goethe-Institut, das seine Aktivitäten in Afrika verstärken will und ebenso wie Köhler auf die Kreativität der Afrikaner setzt. Dabei muss man aber auch akzeptieren und respektieren, „wenn dabei etwas anderes herauskommt, als man erwartet“, meinte der aus Burkina Faso stammende und in Berlin lebende Architekt Francis Kéré, der die Pläne für das Operndorf entwarf.
Auf dem etwa fünf Hektar großen Gelände eine knappe Autostunde von der Hauptstadt entfernt sind eine Schule für 500 Kinder und Jugendliche mit Klassen für Musik- und Filmunterricht sowie Theater- und Veranstaltungsräume, Werkstätten und eine Krankenstation geplant. Im Oktober sollen die ersten Klassen den Unterricht aufnehmen. Kulturminister Filippe Savadogo hob bei der Grundsteinlegung den Ausbildungscharakter des Operndorfes hervor, das zeigen soll, dass sein Land über kreative Ressourcen und künstlerische Nachwuchskräfte verfüge.
Schlingensief freut sich über die zahlreichen Spenden und Sponsoren, versteht sein Projekt aber nicht als „reine Privataktion. Es geht mir hier nicht um Kunst um ihrer selbst willen, sondern vor allem darum, dass Leben und Politik kunstvoller gemacht werden sollen. Helfen und Schönheit kommen zusammen, die Reinheit des Lebens und der Kunst vereinen sich“, sagte Schlingensief. Dabei stehen für ihn vor allem die Kinder im Mittelpunkt. „Sie brauchen Zeit für ihre eigenen Bilder und Farben ihrer Kultur. Dabei wollen wir ihnen helfen, ohne den großen Zeigefinger des weißen Mannes aus Europa.“ Also, betont Schlingensief, „kein abgehobenes Bayreuth, keine Ramba-Zamba-Veranstaltung, kein Rotwein-Scheiß und auch keine Reißbrett-Ruine nach dem Motto ,Die Weltmeisterschaft ist zu Ende und dann hauen wir alle wieder ab‘ – im Gegenteil, ich komme schon im März zu meiner ersten Inszenierung wieder nach Ouagadougou.“
Artikel vom 18.02.2010 © Eßlinger Zeitung