Christoph Schlingensief erfüllt sich einen Traum und baut ein „Festspielhaus für Afrika“
Christoph Schlingensiefs Projekt „Ein Festspielhaus für Afrika“ hat seinen Ort in Burkina Faso gefunden. Seit Januar entsteht in Westafrika das „Operndorf“. Marc Peschke skizziert die Genese einer afrikanisch-deutschen Utopie. In seinem „Weihnachtsbrief“ verkündete der Theater-, Film- und Opernregisseur Christoph Schlingensief den ersten Teilerfolg einer Idee, die er schon seit einigen Jahren verfolgt. Ein afrikanisches „Operndorf“, ein Festspielhaus auf dem afrikanischen Kontinent will Schlingensief ins Leben rufen. Schnell fanden sich Fürsprecher und Förderer: Der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, das Auswärtige Amt, das Goethe-Institut, die Kulturstiftung des Bundes, die Regierung in Burkina Faso, Henning Mankell, Bundespräsident Horst Köhler, Herbert Grönemeyer – und nicht zuletzt viele andere in Deutschland und Burkina Faso.
Fünf Hektar groß ist das Gelände in Laongo in der Nähe der Hauptstadt Ouagadougou, wo Schlingensiefs Operndorf entsteht. Ein Ensemble von Gebäuden, geplant durch den renommierten, in Burkina Faso geborenen und in Berlin lebenden Architekten Francis Kéré, das die traditionelle Lehm-Bauweise der Region mit modernem Stahlbau verbindet. Eine Schule mit Film- und Musikklassen für 500 Kinder und Jugendliche entsteht. Ein Theatersaal, der von der Ruhrtriennale gestiftet wurde. Im Kern der Anlage steht eine große Bühne, das eigentliche Festspielhaus für 500 Zuschauer.
Schlingensiefs Projektvorhaben hatte aber einen starken Gegner: Die Lungenkrebserkrankung des Regisseurs. In den vergangenen zwei Jahren hatte sich Schlingensief kaum geschont, reiste gegen den Rat seiner Ärzte direkt nach seiner Operation immer wieder nach Afrika, nach Kamerun, Mosambik, Tansania und Burkina Faso, um einen geeigneten Standort für sein Operndorf zu finden. Doch es hat seiner Gesundheit nicht geschadet, im Gegenteil: Die neue Aufgabe, die Erhöhung des Lebenstempos, all das half bei der Heilung. Heute geht es ihm besser. „Man hält sich am Leben, indem man sich Ziele sucht, die etwas von Größenwahn haben.“
„Operndorf“, „Festspielhaus“, „soziales Kunstprojekt“, „soziale Plastik“ im Sinne von Joseph Beuys. Es kursieren viele Begriffe für das, was Schlingensief in Burkina Faso aufbauen möchte. Eine Begegnungsstätte afrikanischer und europäischer Künstler soll entstehen, ein kulturelles Zentrum, ein Ort des Zusammen-Kommens, ein Ort des Lebens und der Kunst. Es soll ein Theater geben, eine Schule, ein Gästehaus, Werkstätten, eine Krankenstation, ein Restaurant. All das klingt nach einem Sehnsuchts-Projekt, nach einer wundervollen, fantastischen Utopie: „Das Opernhaus soll eine Stätte des Austauschs und Probierens sein, ohne oben und unten.“
Die zusammengekommenen Spenden, so der Regisseur, sichern das Projekt „für eine gute Weile“. Und es soll wachsen, wie er es beschrieben hat, „wachsen wie der menschliche Organismus, langsam und organisch“.
Nicht alles, was hier passieren wird, kann man absehen, doch eines ist heute schon klar: Schlingensief, der so beseelt war von seiner Idee, hat sein Projekt, das Operndorf in Burkina Faso, das afrikanische Festspielhaus, in die Tat umgesetzt. Im Februar fand die Grundsteinlegung in Anwesenheit des Kulturminister Filippe Savadogo statt. „Wir wissen noch nicht, warum wir das hier machen, aber in der Zukunft werden wir das verstehen“, sagte Schlingensief einmal. Eine interkulturelle Vision mit ungewissem Ausgang, eine „Entwicklungsfläche zur Begegnung der Kulturen und zum Voneinanderlernen“ – eine Utopie, die sich ab Oktober 2010 mit Leben füllen wird.
Näheres zum Projekt: www.festspielhaus-afrika.com