Zweiter Teil aus der Reihe „Der Afrikanische Blick“ (Beitrag aus 3Sat Kulturzeit vom 18.5.2010)
Der Regissuer Christoph Schlingensief hat im Rahmen seines Operndorf-Projekts in Burkina Faso eine Gruppe junger Künstler gecastet, mit denen er das Stück „Via Intolleranza II“ in Brüssel, Hamburg und München auf die Bühne bringen will. Die Künstler reisen gemeinsam nach Deutschland, leben und arbeiten hier für die Dauer der Produktion zusammen. Für Kulturzeit begleitet der junge Journalist Lionel Some die Truppe.
Die Schauspieler für Christoph Schlingensiefs „Via Intolleranza II“ sind auf dem Weg von Burkina Faso nach Berlin. Die Aschewolke verzögert die Reise und die Proben erheblich. Alle werden immer nervöser.
Banges Warten am Flughafen in Ouagadougou: Am Ende werden unsere Gebete erhört. Wir fliegen nach Europa, acht Stunden bis Paris. Während des Fluges herrscht gespannte Erwartung, aber auch grenzenlose Müdigkeit. Die Reise wird zur Odyssee. Wegen der Aschewolke geht es mit dem Bus weiter. Die Situation setzt kreative Energien frei, Issouf komponiert ein Lied. Nach 15 Stunden Busfahrt kommen wir endlich in Berlin an. Kurze Zeit später treffen wir zum ersten Mal Christoph Schlingensief. Er und sein Team warten schon ganz ungeduldig, denn die Zeit läuft. „Schon die Ankunft hat unsere Herzen erwärmt“, sagt Isabelle Tassembedo. „Wir haben bekannte Gesichter wieder gesehen, andere, die wir nicht kannten.“
Isabelle Tassembedo ist unsere „Mama“, der Bezugspunkt des gesamten Ensembles. Sie lebt in Ouagadougou. „Ich arbeite bei der Rentenkasse“, sagt sie, „und kümmere mich um die Pensionen. Wenn jemand mutig ist, dann gibt das auch anderen Mut.“ In Berlin kocht Mama Isa für ihre Großfamilie. Es gibt „Tô Sauce Gombo“, das burkinische Nationalgericht.
Nicolas Tounga ist Musiker und Sänger. „Seit ich fünf bin, habe ich in der Kirche von Brazzaville im Congo gesungen“, sagt er. „Wegen der Musik bin ich nach Burkina gekommen. Christoph verlangt sehr viel. Aber das ist gut.“ El Primo ist Rapper und Radiomoderator. „Ich will mit diesem Projekt weiter kommen“, sagt er. „Ich möchte, dass es die ganze Welt erobert, ohne dass man die Menschen zu sehr überzeugen muss. Dass sie es einfach merken, dass es etwas mit ihrem Leben zu tun hat.“ Das Leben in Berlin scheint uns hart. Das kann man an den Gesichtern der Menschen ablesen. In der U-Bahn bitten uns Bettler sogar um Geld.
Immer wieder gibt es improvisierte Proben zuhause. Wir nehmen unsere Sache sehr ernst. Die Zeit ist knapp, denn durch die Aschewolke gingen uns drei wertvolle Probentage in Berlin verloren. Aber nicht nur wir Burkinabe, auch Schlingensief und seine Truppe sind wahnsinnig nervös. Die Anspannung während der Proben ist enorm, vor allem bei Christoph. Es sind nur noch wenige Tage bis zur Premiere in Brüssel.
Quelle: Lionel Some für Kulturzeit, 3sat Kulturzeit vom 18.5.2010