Premiere in Brüssel. Dritter Teil der Reihe „Der Afrikanische Blick“ (Beitrag aus 3Sat Kulturzeit vom 20.5.2010)
Der Regissuer Christoph Schlingensief hat im Rahmen seines Operndorf-Projekts in Burkina Faso eine Gruppe junger Künstler gecastet, mit denen er das Stück „Via Intolleranza II“ in Brüssel, Hamburg und München auf die Bühne bringen will. Die Künstler reisen gemeinsam nach Deutschland, leben und arbeiten hier für die Dauer der Produktion zusammen. Für Kulturzeit begleitet der junge Journalist Lionel Some die Truppe.
Eine der letzten Proben in Brüssel. Die Anspannung steigt – die Künstler verlieren die Geduld. Issouf kann sich kaum noch zusammenreißen. Die Szenen werden immer und immer wiederholt. Auch Sängerin Kandy Guira ist aufgeregt: „Mir dreht sich der Magen gerade um. Es fühlt sich an, als ob ich etwas Falsches gegessen hätte“, sagt sie. „Ich glaube, wir habe eine gute Möglichkeit gefunden, die Weltbilder, die wir alle vom afrikanischen Kontinent und von Europa haben, einfach auf den Rücken zu legen“, sagt Christoph Schlingensief.
Bauchschmerzen und Lampenfieber
Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Hinter den Kulissen sind die Künstler gereizt. Die Stimmung ist hochexplosiv. „Ich habe Lampenfieber“, sagt Isabelle Tassembedo. „Da ich noch nie öffentlich aufgetreten bin, bin ich gerade ziemlich aufgeregt. Ich hoffe, dass alles gut gehen wird. Ich habe gerade noch zur Muttergottes gebetet und eine Mutter lässt ihre Kinder niemals fallen.“ „Heute Morgen bin ich aufgewacht und hatte Bauchschmerzen“, sagt Regisseur Schlingensief, „weil ich merke, dass die Probenzeit für meinen Körper etwas zu anstrengend war. Das heißt, ich bin vor vier Wochen noch vom Arzt angehalten worden, alle drei Stunden eine Stunde zu schlafen oder mich hinzulegen. Hier haben wir zehn Stunden gearbeitet.“
Bei der Premiere sehen die Künstler auch die Juroren des Castings in Burkina Faso wieder. „Wenn wir von Kunst sprechen, meinen wir Afrika“, sagt Sänger Issouf Kienou. „Wenn wir von Kultur sprechen, meinen wir Afrika. Dass Gott uns alle beschütze und dass uns die Aufführung den Erfolg bringt, den wir uns wünschen.“ Und dann geht es los. „Es ist keine gefühlsduselige Geschichte vom afrikanischen Kontinent“, so Christoph Schlingensief. „Nein, keine sentimentale Geschichte. Es ist Hardcore.“ Auf der Bühne stehen nicht nur die acht Künstler aus Burkina Faso, sondern neben dem Regisseur noch sieben weitere europäische Schauspieler und Musiker. Nach der Vorstellung sind alle erleichtert.
Jenseits bekannter Klischees
„Am Ende ist alles gut“, resümiert Schlingensief. „Sehr, sehr stark. Super, super, super. Keiner hat einen Aussetzer gehabt.“ Nicht nur die afrikanischen Künstler sind begeistert, auch das Publikum. Die Zuschauer sind begeistert, Afrikaner und Europäer gemeinsam auf der Bühne zu erleben – jenseits aller bekannten Klischees. Das Team erhält Glückwünsche von allen Seiten. Die Vorfreude auf die nächste Station im Hamburger Kampnagel an Pfingstsonntag ist groß.
Quelle: Lionel Some für Kulturzeit, 3sat Kulturzeit vom 20.5.2010