»WAS ÜBRIG BLEIBT« (DPA)

Veröffentlicht am Autor admin

Der Schlingensief-Katalog zur Biennale in Venedig ist ein Lebensrückblick. Eigentlich für die Ausstellung publiziert, kann man das Werk auch als posthume Biografie über den Preisträger des Goldenen Löwen lesen.

Von Wilfried Mommert (dpa)

Der Schlingensief gewidmete Pavillon bei der Kunstbiennale von Venedig wurde Anfang Juni posthum mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Der Theater-, Opern- und Filmregisseur war im August 2010 mit 49 Jahren an Krebs gestorben.

Der Band dazu enthält eine Vielzahl offenherziger, nicht immer schmeichelhafter Beiträge zu Schlingensief – und freimütige Gedanken von ihm selbst. Der Künstler war von dem Drang erfüllt, auch in der bildenden Kunst Spuren zu hinterlassen. Er dachte, er könnte auch etwas produzieren, „was übrig bleibt“, wie er sagte.

So war Schlingensiefs letzter Lebenstraum vom afrikanischen „Operndorf“ in Burkina Faso mehr eine Metapher, wie Volksbühnen-Intendant Frank Castorf meint. Ihn habe mit dieser Ausnahmegestalt, die an der Volksbühne bis 1999 acht Inszenierungen herausbrachte, „eine freundschaftliche Feindschaft oder feindliche Freundschaft“ verbunden.

Zu Wort kommen auch Weggefährten wie die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek („Ein reicher Mensch“, der „die ganze Rechnung übernommen“ habe), die Künstler Thomas Demand und Jonathan Meese, die Schlingensief-Dramaturgen Carl Hegemann und Matthias Lilienthal, die Regisseure Alexander Kluge und Werner Nekes sowie die Politiker Antje Vollmer und Frank-Walter Steinmeier, der Schlingensiefs Afrika-Projekt unterstützte. „Dazwischen: Zusammenbrüche, Krankenhaus, Verzweiflung. Und eine unfassbare Kraft . . .“, schreibt Schlingensiefs Anwalt Peter Raue.

Schlingensief selbst, der einige Jahre Aufnahmeleiter bei der „Lindenstraße“ war, erinnert sich an seine Anfänge als jugendlicher Filmemacher in Oberhausen und erste berufliche Schritte. Dazu gehörten Tiefschläge – etwa als ein Redakteur nach einer Filmvorführung zu dem hoffnungsvollen Filmemacher sagte: „An diesem Film sieht man, dass du niemals einen Menschen lieben wirst.“

Ausstellungskurator Chris Dercon findet, Schlingensief habe einige „wagemutige Komplizen“, für die meisten „Kunst-Profis“ habe Schlingensief aber lediglich als „sympathisch“ gegolten. Der Herausgeber der „Kunstzeitung“, Karlheinz Schmid, meint dagegen, mit Schlingensief sei einer der „bedeutendsten Impulsgeber und Querdenker“ der internationalen Kunstszene abgetreten.

Susanne Gaensheimer, Christoph Schlingensief: „Deutscher Pavillon 2011″, 54. Internationale Kunstausstellung“. Kiepenheuer & Witsch, 368 S., 29,99 Euro

Erhältlich bei Amazon

Biennale Katalog