„Macht für mich weiter, gebt nicht auf!“ So hat es sich der verstorbene Regisseur Christoph Schlingensief gewünscht. Nun spenden berühmte Künstler in der „Auktion 3000. Von Afrika lernen“ Werke für sein Operndorf in Burkina Faso.
Von Ingeborg Ruthe
Christoph Schlingensief ist es nicht vergönnt gewesen, weiterzumachen, gar zu Ende zu bringen, was in in den letzten beiden Jahres seines kurzen Lebens noch umgetrieben hatte, sozusagen zu seinem Vermächtnis wurde, um hier mal pathetisch zu werden.
Aber seine junge Witwe Aino Laberenz und seine vielen Freunde machten und machen weiter. In zwei Tagen ist denn auch ganz großer Bahnhof: eine Benefizversteigerung von Werken berühmter Künstler im Berliner Museum Hamburger Bahnhof. Die „Auktion 3000. Von Afrika lernen“ will mit so viel ersteigertem Geld wie möglich Schlingensiefs afrikanisches „Zukunftsreservoire“ mit aller Kraft fördern, aus Freundschaft, aus Solidarität – und wegen des Glaubens. Ein Glauben, dem Christoph Schlingensief fast religiös anhing – dass Kunst am Ende die Welt doch ein wenig besser, lebenswerter und schöner machen kann.
Die fast letzten Film-Aufnahmen des im August 2010 verstorbenen charismatischen Theatermannes, Filmemachers und Kunst-Tausendsassas zeigten den knapp 50-Jährigen mager, vom Krebs gezeichnet, nach jedem zehnten Schritt um Kraft und Luft ringend, aber tapfer und zäh, getrieben vom unbändigen Willen, vor Bauten und meistens mit Kindern des Mossi-Stammes in Burkina Faso.
Das Land liegt in Westafrika, innen, wo der Niger einen Bogen macht und es grenzt an Mali, Niger, Benin, Togo, Ghana und die Elfenbeinküste. Die einstige französische Kolonie Obervolta erlangte 1960 ihre Unabhängigkeit. 1984 wurde der Name des Landes in Burkina Faso („Land der Ehrenwerten“ oder „Land der Aufrichtigen“) geändert. Es war und ist noch immer eines der ärmsten Länder, der Welt.
Schlingensief hat es noch geschafft, dort, in einem Dorf nahe der Hauptstadt Ouagadougou, eine Schule zu bauen und zum Laufen zu bringen; 50 Kinder lernen seit letztem Herbst in dem kinderfreundlichen Haus, das in der vom Architekten Francis Kéré schneckenförmig entworfenen Gesamtanlage steht. Schlingensiefs nächstes Ziel war ein Operndorf.
„Mein wichtigstes Projekt“, wie er immer betonte. Keine Entwicklungshilfe, sondern ein Kunstprojekt, an dem alle Dorfbewohner teilhaben, an dem sie dauerhaft mitwirken, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Mit Krankenstation und Solaranlage für eigenen Strom. Eine „soziale Plastik“, schwebte dem aus Oberhausen stammenden Visionär Schlingensief vor, ganz im Sinne des Utopisten vom Niederrhein, Joseph Beuys.
Pragmatisch dachte Schlingensief dabei – und zugleich wollte er das Ganze auch symbolisch: Als Zeichen fürs Mögliche, fürs Gute, Schöne, Hoffnungsvolle inmitten der Armut und aller scheinbaren Vergeblichkeit auf dem Kontinent.
Für Schlingensief hat sich keiner bitten lassen: Nicht Peter Raue von den Freunden der Nationalgalerie, Kunstkenner und erklärter Freund der Künstler − er übernimmt den Part des Auktionators. Werke, deren Schätzpreis zusammen schon eine Million Euro ergibt, wurden gespendet: von Matthew Barney ein C-Print-Bild aus dem mystischen „Cremaster.3“-Film, von Patti Smith eine Zeichnung mit Widmung für den Freund Schlingensief.
Unter den Hammer kommen Spenden aus deutschen und Berliner Galerien, so Bilder und Objekte von Katharina Sieverding, Andreas Gursky, Marina Abramovic, Michael Wesely, Koto Bolofo, Pipilotti Rist, Georg Baselitz, Olafur Eliasson, Wolfgang Tillmans, Christo, Günther Uecker, Wim Wenders, Herrmann Nitsch, Gotthard Graubner, Valie Export, Andreas Hofer, John Bock, Elmgreen & Dragset.
Das liest sich wie das „Best of“ der Kunst der letzten 20 Jahre – und ist es auch. Großsammler Friedrich Christian Flick, seines Zeichens Mäzen der Rickhallen am Museum Hamburger Bahnhof, steuert nicht nur ein kostbares Sigmar Polke-Bild bei. Er legt auch gleich noch 250.000 Euro aus eigener Tasche dazu. Bauphase zwei in Burkina Faso rückt nahe. Und Schlingensief ist nicht tot.
Auktion 3000: Donnerstag, 8. März, im Hamburger Bahnhof. Invalidenstr. 50/51 (Tiergarten). Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr.
Quelle: Berliner Zeitung vom 06.03.2012