„HIER WERDE ICH ACHTZIG“ (DER STANDARD)

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Ehrliches und wehmütiges Porträt über Christoph Schlingensiefs Operndorf in Afrika

Ein dünner Mann mit wirrem Haar stapft aufgeregt durch eine karge afrikanische Landschaft: Es ist Christoph Schlingensief, deutscher Film-, Theater- und Opernregisseur, oftmals abgestempelt als Enfant terrible der Szene. Begeisterung leuchtet in seinen Augen. „Hier werde ich achtzig!“, ruft er aus. Diese Prophezeiung hat sich nicht erfüllt, nach langem Krebsleiden starb der Künstler 49-jährig im August 2010.

Der Ort, der Schlingensief vor seinem Tod so sehr verzauberte, war Laongo in Burkina Faso. Hier begann er seinen Traum vom Operndorf Remdoogo zu realisieren. Kunst und Leben sollten sich verbinden, ein Festspielhaus, eine Schule, ein Spital, Wohn- und Arbeitsgebäude entstehen.

Die Verwirklichung dieser Idee steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilms Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso von Sybille Dahrendorf, der im Rahmen des Steirischen Herbstes gezeigt wird. Von der Suche eines Ortes über die Grundsteinlegung, Schwierigkeiten mit den Bauarbeiten sowie Theaterproben zeichnet der Film die Entstehung des (nach wie vor im Bau befindlichen) Dorfs bis zur Eröffnung der Schule nach.

Schlingensief selbst führt per Handykamera in den Film ein, der durchzogen ist von diesen fröhlichen, nachdenklichen, wütenden Selbstaufnahmen eines quirligen Mannes mit schwarzem Humor. Er wolle von Afrika lernen, die heilende Kraft der Kunst erfahren. Gleichzeitig sind Krankheit und Tod ständig präsent. Schlingensief resümiert über sein Leben, seine Kunst, manchmal wie in Vorahnung des baldigen Endes.

Dahrendorf ist ein persönliches, ehrliches und wehmütiges Porträt gelungen, das nah an den Mann hinter dem wilden Image führt. Doch nicht nur Schlingensief, auch die Bewohner der umliegenden Siedlungen, der Architekt Diébédo Francis Kéré und andere Mitarbeiter des Operndorfes werden in den Mittelpunkt gerückt. Mehr und mehr wird das Dorf zu einem Projekt der einheimischen Bevölkerung, schiebt sich die lebendige Idee Remdoogo vor die Trauer um den verstorbenen Künstler.

Am 27. 9. um 20.30 ist der Film im Black Cube des Camps erstmals in Österreich zu sehen statt. Dazu gibt es ein Einführungsgespräch mit Sibylle Dahrendorf, Carl Hegemann und Claus Philipp.

Aus: zeit, Spezial, DER STANDARD, 14.9.2012