Für drei Tage und drei Nächte treffen sich die Karawanen der Touareg-Nomaden einmal im Jahr in Timbuktu, am Rande der größten Wüste der Welt. Sie kommen mit Kamelen und Autos und feiern das monumentale »Festival au Désert« – das Festival in der Wüste. Musiker, Poeten und Tänzer aus Mali und den umliegenden Ländern spielen dazu auf. Fliegende Händler und Besucher von überall reisen an.
von Thembi Wolfram
Seit zwölf Jahren sind auch europäische Künstler und Touristen eingeladen, so ist das Fest in der Wüste zu einem Forum für musikalischen Austausch und einem der größten Musikfestivals in Westafrika gewachsen. Nur in diesem Jahr ist alles anders. Die Sicherheitslage zwingt das »Festival au Désert« zum ersten Mal ins Exil. Vom 8. bis zum 10. Januar findet es in diesem Jahr in Berlin statt.
Manny Ansar, künstlerischer Leiter des Festivals, kämpfte noch bis Anfang Dezember dafür, sein Festival in Timbuktu austragen zu dürfen. Aber seit Beginn der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen 2011 fehlt es durch die Sicherheitslage in Mali an Voraussetzungen, um Touristen und Künstler zu beherbergen. Nach der letzten Zählung des UN-Flüchtlingswerks sind außerdem fast 350 000 Malier auf der Flucht – darunter viele Tuareg, die seit Ausbruch der Konflikte in manchen Landesteilen verfolgt werden.
Auch die Künstler des »Festival au Désert« haben sich deshalb auf die Reise begeben – als »Karawane des Friedens«. Der Name erinnert an die »Flamme des Friedens«, in der nach dem letzten blutigen Konflikt vor sieben Jahren alle Waffen verbrannt wurden. Nach einer schweren Zeit für die Tuareg sollte damit der Beginn einer friedlichen Ära besiegelt werden. Seit November letzten Jahres nun zieht die musikalische »Karawane des Friedens« von Marokko durch ganz Westafrika nach Burkina Faso. Viele der geflohenen Tuareg sind dort in Flüchtlingslagern untergebracht. Ziel ist das Projekt »Operndorf« des verstorbenen Ausnahmekünstlers Christoph Schlingensief in Burkina Faso. Inmitten der Steppe plante er, ein Dorf zu errichten, in dem Hochkultur und Alltag nicht mehr getrennt gelebt werden.
Aino Laberenz, Lebensgefährtin von Schlingensief und seit seinem Tod Geschäftsführerin des »Operndorfs«, hat die Künstler des »Festival au Désert« eingeladen, ihre Reise dort zu beenden. Gemeinsam mit der »Stiftung Partnerschaft mit Afrika e. V. lud sie das Festival nun auch zu einem spontanen Gastspiel nach Berlin ein. «Wir wollen ein Fenster nach Westafrika öffnen. Das war auch immer das Bestreben von Christoph», sagt sie. Für drei Veranstaltungen an drei Tagen macht die Karawane in Berlin halt.
Zum Auftakt von «IM EXIL: Festival au Désert» wird der Dokumentarfilm «Woodstock in Timbuktu» im Babylon Kino gespielt. Der Film dokumentiert das Festival im Jahr 2011, dem letzten Jahr ohne den Schatten des Krieges. In einer der Schlüsselszenen des Films sitzt ein junger Tuareg mit schwarzem Turban in einem bunt gemusterten Zelt, das vom Wüstenwind flattert. Er sucht nach Worten, neben ihm lehnt die deutsche Regisseurin Désirée von Trotha. «Die Gitarre», sagt der junge Mann schließlich und überlegt noch einmal kurz, «die ist ein bisschen wie unsere Waffe geworden. Früher haben wir mit Waffen und Schwertern gekämpft. Die Gitarre ist jetzt unser letztes Mittel.» Nach der Filmvorführung steht ein Gespräch mit der Regisseurin, Manny Ansar, dem Direktor des Festivals und Aino Laberenz auf dem Programm.
In einer Podiumsdiskussion soll deutsch-afrikanischer Kulturdialog abseits von «Singen, Trommeln und Tanzen» diskutiert werden. Aino Laberenz: «Es geht uns darum, Afrika eine eigene Stimme zu geben. 80 Prozent der Bilder, die wir von Afrika haben, haben wir selbst gemacht.» Wenn von afrikanischer Kunst die Rede ist, werde oft an Kunsthandwerk gedacht. Moderne Gegenwartskunst bekomme selten eine Plattform. «Für die Künstler ist es schwer, im Westen ernst genommen und als gleichwertig anerkannt zu werden.»
Zum Abschluss gibt es ein gemeinsames Konzert malischer und deutscher Künstler in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz unter dem Titel «Schlingensief in Timbuktu». Die Band Amanar de Kidal spielt mit traditioneller Gitarre zu einer tanzbaren Version des «Desert Blues» (Wüstenblues) auf. Die Musiker der Gruppe mussten vor den Kämpfen in ihrer Heimat im Norden Malis in den ruhigeren Süden und nach Algerien fliehen und reisen aus dem Exil an.
Höhepunkt des Abends ist der Auftritt von Khaïra Arby. Die kräftige Stimme der «Queen des Wüstenblues», wie sie in Mali genannt wird, ist eine der bekanntesten Stimmen des Landes. Eine musikalische Kooperation der experimentierfreudigen Hamburger Band Kante und Hip-Hop Künstlerin Nneka sind Symbol für musikalische afrikanisch-deutsche Kooperation. Nach fast drei Monaten wird die «Karawane des Friedens» dann zurück nach Westafrika fliegen. Schon im nächsten Jahr soll das Festival wieder an den gewohnten Ort unter der Wüstensonne Timbuktus zurückkehren.
«Festival au Désert im Exil» vom 8. bis 10. Januar in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, in der Akademie der Künste und im Kino Babylon