Von Tilman Steffen
Der Regisseur Christoph Schlingensief geht mit scharfen Worten gegen einen Theaterkritiker der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ), Gerhard Stadelmaier, vor. Mit der Intervention der Zeitung wegen eines angeblichen Angriffs auf ihren Kritiker und die Pressefreiheit «hat sich Stadelmaier selbst entzaubert», sagte Schlingensief der Netzeitung. «Seine Zeiten als Starkritiker sind vorbei.»
In der Inszenierung «Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes» von Eugène Ionesco, die stark auf die Interaktion mit dem Publikum setzt, hatte der Schauspieler Thomas Lawinky in der Premiere am Donnerstagabend den Kritiker Stadelmaier beschimpft und ihm seinen Notizblock entrissen. Daraufhin intervenierte die «FAZ» bei der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU), die dem Aufsichtsrat der Theater-GmbH vorsitzt. Roth soll dann bei Intendantin Elisabeth Schweeger die Trennung von dem Schauspieler durchgesetzt haben. Regisseur Sebastian Hartmann schilderte, Stadelmaier habe zuvor durch Gesten zum Ausdruck gebracht, dass er das Stück in seiner Kritik verreißen werde.
Wissen, worauf man sich einlässt
Schlingensief beklagte, dass «die Strippen hinten rum gezogen werden» und Lawinky ausschied, ohne dass sich Intendantin Schweeger den Vorgang selbst angesehen habe. «Das ist total falsch.» Er sei nach dem Vorgehen der Zeitung und der Stadtverwaltung jedoch «superoptimistisch gestimmt, dass nun die Dunkelzone erleuchtet wird und sich Stadelmaier endgültig in den Club der Peinlichen begibt». Für Schlingensief hat der Eklat auch einen finanziellen Hintergrund: «Wenn man die Bankentürme ständig vor Augen hat und weiß, wie Theater-Förderkreise funktionieren, dann trifft man solche Entscheidungen.»
Der Regisseur setzt auch auf die Verantwortung des Zuschauers: «Wer in eine Inszenierung von Hartmann geht, der müsste wissen, worauf er sich einlässt.» Zudem sieht er das Theater im Vergleich zu anderen Kunstformen im Rückstand: «Wir feiern im Film die Rückkehr des Obsessiven, im Theater scheint gerade die Steinzeit wieder aufzuleben.» Wenn Stadelmaier, wie am Montag in der «Süddeutschen Zeitung», darauf verweise, dass Theater Regeln folgen müsse, «dann hat er noch nie etwas von Brecht gehört, von Piscator oder sogar von Peter Zadek», so Schlingensief.
Theatersprecherin Leonore Leonardy sagte der Netzeitung, der Gast-Schauspieler Lawinky sei nicht gekündigt worden. «Er hat die Verantwortung auf sich genommen und seinen Vertrag aufgelöst.» Das Stück stand am Montag für Donnerstag und Samstag wieder auf dem Spielplan der Frankfurter Bühne. Zur Frage, ob es weiter aufgeführt wird, wolle sich das Theater noch äußern, sagte dessen Sprecherin. Bei der Vier-Personen-Besetzung werde es «natürlich Veränderungen geben».