IN GOTTES TRÄNENZENTRUM (WIENER ZEITUNG)

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Mit Christoph Schlingensiefs Film „The African Twintowers“ beendet die Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum eine 2006 begonnene Ausstellungstrilogie zum Thema „Slum“.

Von Beate Frakele, Wiener Zeitung vom 09.10.2008

300 Stunden Film flimmern geräuschlos über 18 Monitore, eine verwirrende Gleichzeitigkeit von Szenen, 2005 in Namibia gedreht. An den Wänden eine Kollektion der auratischen Fotos, die Patti Smith mit ihrer Kamera auf dem Set einfing, im Katalog Elfriede Jelineks verwandter Parsifal-Text: „Lass oh Welt, oh Schreck lass nach.“

Auch für Christoph Schlingensief, Regisseur und Kameramann, zuweilen auch Schauspieler in diesem Projekt, ist der Film Teil, Mittelstück eines größeren Vorhabens. Schon für seine Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung (2004) zog er aus, um tief in Afrikas Wunden, Passivität und schamanische Traditionen einzutauchen. 2006 fand das Material Eingang in Schlingensiefs Installation „Area 7-Matthäusexpedition“ am Burgtheater, die die Welt zur Bühne für die Frage nach Erlösung und Transformation machte.

Kolonialismus, Aids und Bürgerkriege

Gedreht hat Christoph Schlingensief in Lüderitz, einer Kleinstadt an der namibischen Atlantikküste, die weitreichende Erinnerungen an die deutsche Kolonialzeit preisgibt. Außerhalb von Lüderitz liegen die schwarzen Slums und die „Area 7“, ein Lager für Zwangsausgesiedelte.

„African Twintowers“ ist Schlingensiefs Antwort auf 9/11: An diesem Tag starben in New York 3500 Menschen, während in Afrika täglich 35.000 an Bürgerkriegen, Hunger und Aids – teils Konsequenzen der Kolonialisierung – ihr Leben verlieren.

Die Filminstallation ist hochartifiziell, ironisch, chaotisch und verstörend. Sie versöhnt keine Widersprüche und heilt kein Leiden durch geordnete Bilder, sondern ist in ihrer unendlichen Offenheit für die Welt die Wunde selbst.

The African Twintowers
Von Christoph Schlingensief Neue Galerie, Graz Bis: 9. November