Berlin/Venedig (dpa) – Der Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief (49) wird Deutschland bei der international bedeutenden Kunstschau Biennale in Venedig 2011 vertreten.
Er soll als Künstler den deutschen Pavillon gestalten – eine Überraschung, eine Freude, aber auch eine «schwere Last», wie er der Nachrichtenagentur dpa am Montag sagte. Gleichzeitig schränkte er aber ein: «Ich bin in der eigentlichen Kunstszene gar nicht stark verankert, daher soll sich durch meine Berufung auch kein Künstler angegriffen fühlen, ich bin keine Konkurrenz», sagte Schlingensief, der zurzeit ein «Operndorf» im afrikanischen Burkina Faso errichtet.
Er sei auch ab 2004 nach Bayreuth berufen worden, obwohl er in der Opernszene nicht Zuhause war. «Ich war damals riesig überrascht so wie ich es jetzt auch wieder bin», sagte der «Parsifal»-Regisseur, der bereits 2003 in Venedig mit seiner «Church of Fear» (Kirche der Angst) Aufsehen erregt hatte. «Venedig macht mich auch jetzt wieder nervös und regt mich an und auf. Ich werde jetzt länger darüber nachdenken und nicht gleich irgendetwas hinklotzen.» Es sei reizvoll, dort ein sachverständiges Kunstpublikum ebenso wie «ganz normale Besucher» ansprechen zu können. «Das ist kein Elfenbeinturm.»
Die Kommissarin des Deutschen Pavillons, Susanne Gaensheimer, hält Schlingensief für «einen der ganz wesentlichen Künstler dieses Landes», der sich seit etwa 30 Jahren «in radikaler und rückhaltloser Direktheit mit der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Befindlichkeit der deutschen Bundesrepublik» beschäftige. «Ich habe in vielen Bereichen gearbeitet, als Film-, Theater- und Opernregisseur, Produzent, Alleinunterhalter, Mensch, auch als kranker Mensch und Christ, auch als Politiker und Performer und ich habe mich auch immer für Künstler interessiert, die die Kunst fast zwanghaft betrieben haben», erklärte der an Lungenkrebs erkrankte Schlingensief («Das deutsche Kettensägenmassaker») am Montag in einer offiziellen Mitteilung des Museums für Moderne Kunst Frankfurt am Main, dessen Direktorin Gaensheimer 2011 den Pavillon in Venedig verantwortet.
«Ich gehe gerne in Galerien, um mich zu informieren zum Beispiel über die französische Bildhauerin und Installationskünstlerin Louise Bourgeois, die ich sehr mag, ich bin aber kein verbissener Kunstliebhaber. Ich wundere mich auch manchmal über das Missverhältnis, mit welchem Wahnsinnsgehabe Dinge gepusht und andere schnell wieder über Bord geworfen werden.»
Auf die Frage, was die neue Aufgabe in Venedig für seinen Kampf gegen den Krebs bedeute, sagte Schlingensief: «Die Krankheit ist Bestandteil meines Lebens und somit auch meiner Arbeit, das kann ich nicht mehr trennen, ich muss das anerkennen. Das kann ich übrigens auch nur jedem raten, der ähnlich betroffen ist.»
Zurzeit probt Schlingensief an seinem neuen Projekt «Via Intolleranza II» ausgehend von der Aktionsoper «Intolleranza 1960» des italienischen Komponisten Luigi Nono (1924-1990), das noch im bis Ebnde Juni in Brüssel, Hamburg, München und Wien aufgeführt werden soll. Am 3. Oktober eröffnet Schlingensief die Ausweichspielstätte der Berliner Staatsoper im Schillertheater mit der Uraufführung «Metanoia – über das Denken hinaus» von dem Komponisten Jens Joneleit mit Generalmusikdirektor Daniel Barenboim am Pult. 2013 will Schlingensief seinen lange gehegten Traum einer Inszenierung von Richard Wagners Oper «Tristan und Isolde» verwirklichen.
Quelle: dpa vom 3.5.2010