SCHLUSS MIT DEM GUTMENSCHENTUM (DONAUKURIER)

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Mit einem Gastspiel haben die Münchner Opernfestspiele begonnen: Christoph Schlingensiefs Afrika-Spektakel „Remdoogo – Via Intolleranza II“, eine Koproduktion der Festspielhaus Afrika gGmbH mit Kampnagel Hamburg, dem Kunstenfestivaldesarts Brüssel und der Bayerischen Staatsoper.

Spektakulärer Aufführungsort in München, futuristisch anmutend: die temporäre Spielstätte „Pavillon 21 MINI Opera Space“ der Architekten von Coop Himmelb(l)au auf dem Marstallplatz hinter dem Nationaltheater, wo in den nächsten Wochen „lustvoll“ unterschiedliche Ausdrucksmittel des Musiktheaters erprobt werden sollen.

Der Berliner Regisseur Christoph Schlingensief (49) hat im Rahmen seines Operndorf-Projekts in Remdoogo in der Nähe von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, eine Gruppe junger Künstler gecastet, mit denen er das Stück „Via Intolleranza II“ bereits in Brüssel, Hamburg und Wien auf die Bühne gebracht hat. Die hoch motivierten afrikanischen Darsteller leben und arbeiten für die Dauer der Produktion zusammen mit deutschen Akteuren. Schlingensief bezeichnet das Projekt etwas hoch gestochen als „begleitende Forschungsarbeit“ seines Afrika-Engagements, dessen Planung auch eine Schule, Werkstätten und eine Krankenstation umfasst.

Der Titel „Via Intolleranza II“ bezieht sich auf eine legendäre Produktion von Luigi Nono aus dem Jahr 1960 – eine freilich sehr freizügig herbeigeholte Assoziation. Gegeben wird eine bunte, lärmige Show, eine in zehn Kapitel gegliederte Collage mit Videoprojektionen, einem europäisch-afrikanischen Musik-Mix mit dem fetzigen Berliner Fönix-Trio und Einspielungen aus der Konserve, wunderbaren spielerischen, gesanglichen und tänzerischen Sololeistungen, auch eines kleinwüchsigen schwarzen Schauspielers. Das läuft, auf Improvisation getrimmt, mal kabarettistisch, mal bedeutungsschwanger, mal kopfig, mal klamottig. Alles in allem etwas verworren, erkennbar aber doch als roter Faden die Botschaft: „Warum wollen wir ständig dem afrikanischen Kontinent helfen, obwohl wir uns schon lange nicht mehr helfen können“

Zu Beginn der 90-minütigen Vorstellung wird eine Grußadresse von Christoph Schlingensief verlesen. Er liege in einem Münchner Nobelhotel danieder, könne leider nicht erscheinen. Dann steht er aber doch plötzlich auf der Bühne, in bester Verfassung, ein Gag eben. Der Meister übt sich in ironischer Selbststilisierung, auch seine Krebserkrankung betreffend, und hebt gegen Ende noch einmal zu einer Rede an, benutzt dabei das üble Unwort „Gutmensch“ – mit dieser Art müsse Schluss sein. Gespendet werden solle dennoch fleißig, aber eben ganz ohne Bedingungen. Erfreulich viele Sponsoren und Unterstützer hat Schlingensief in Europa für sein Projekt gewonnen, allen voran den ehemalige Bundespräsident Köhler. Alles Gutmenschen oder was?

Quelle: Donaukurier vom 25.6.2010, von Friedrich Kraft