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Fotos: Heike Schnepf
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Atta-Kunst
Nachschublinien. Dritter Tagesbericht von den Endproben zu "Kunst & Gemüse, A. Hippler"

Nach den Turbulenzen des Vortags geht in der Volksbühne wieder die Sonne auf, ferngesteuert aus der Lichtabteilung. Alles auf Anfang, Gemüse wächst nach und die Kunst tut es auch.


Die Frage heute, weil Fragen nie ausgehen: "Was sind das, moderne Menschen?" Das Schönberg-Orchester spielt auf und die Theatergladiatoren marschieren ein. Die meisten von ihnen begrüßt Hosea D., das große Zukunftsversprechen an das deutsche Theater, überschwenglich. Hinter der Bühne erklärt in Einzelgesprächen, wo es zu verbessern gilt. Auf der Bühne: Flucht des Theaters in den Film. Neue Wellen. Godard dreht eine Hommage an Toulouse-Lautrec, „Das Leben des T. in Augenhöhe“. Alles in Breitwand und deshalb schmalspurig. Die Köpfe der Akteure sind vom Rumpf abgetrennt. Die Prostituierten sind auf ihre Körper reduziert. Als endlich Horst Gelonneck den Großen Saal betritt, hört man Steine vom Produzentenherzen fallen. Gelonneck, das sich anbahnende Urgestein eines neuen Kunstbegriffs, steckte im Schnitt einer Bruno-Ganz-Doku fest, die er für das ZDF gedreht hat; Titel „Die Hand des Führers“. Schnell wird er zum Motor der Lautrec-Hommage, liefert Texte, arrangiert die Schauspieler, leitet die Aufnahmen. Der Mensch als Gesamtkunstwerk. Eine führende Hand, das hat auch hier gefehlt.

Dzingirai und der Produzent haben sich vor Probenbeginn zerstritten und sprechen nicht miteinander. Zuvor war dem Regisseur ein von Schlingensief abgesegnetes Schreiben übergeben worden, das dem Afrikaner unmißverständlich deutlich macht, daß die von ihm gewählten Videoeinspielungen lediglich für Lichtproben zur Verfügung stünden, aber keine Verwendung im Stück finden dürften. Des weiteren gelte die Hausordnung.


Kunst, Gemüse & A. Hippler, Probenfoto vom 10.11.2004 (Foto: Schnepf)


Am frühen Abend erscheint Kultursenator Thomas Flier auf den Proben, der Schlingensief von seinen Absichten unterrichtet, in Kürze das Handtuch zu schmeißen. Er habe sich verzettelt, habe Leute degradiert und müsse schon morgen vor dem Senatsausschuß Rechenschaft ablegen; erzählt er in der letzten Zuschauerreihe, muß sich räuspern, lehnt sich an Schlingensiefs Schulter – und schluchzt. Vielleicht sind dies die letzten Proben des Senators, ein historischer Moment, den es durch die Premiere zu überbieten gilt.

Godard dreht einfach weiter: "Was hat das alles mit der Matthäuspassion zu tun?" Horst Gelonneck dreht durch, schreit: „Die Zeit des Firlefanz ist jetzt vorbei!“ Halbierte Frauen sind ganze Mädchen und als solche zu bewundern. Wolfgang Bach ist das Ziel der Dreharbeiten zunehmend unklar. Er telefoniert mit Harare und läßt sich vom Goethe-Institut bestätigen, daß man den richtigen Dzingirai nach Berlin geschickt hat. Anschließend ein Anruf in Deutsch-Südwest: Die Chorproben in der Kalahari laufen auf Hochtouren. Er streckt den Daumen in die Höhe. Dzingirai wertet dies als Startsignal und so reiht sich ein Durchlauf an den anderen: Der atonale Schönberg, der an diesem Abend ganz total tonal klingen wird; die Grassmann-Performance am Tisch, der Museumsbesuch, die Flugsequenz… die Applausordnung. „Wir sind die Welt“, sie singen und drehen sich. Es war Frieden.

Nachtrag: Noch nach Abendprobenende engagierte Familie Bach Johannes Heesters für die Rolle eines KZ-Kabarettisten in Volker Schlöndorffs neuer Oper „Die zehnte Nacht“. Wir gratulieren!



Artikel- und Materialübersicht zu Kunst & Gemüse, A. Hipler

- "Deutsches Theater in Pariser Vorstädten" - Deutschlandradio vom 6.2.2006
- "Une pièce génialement bordélique de Schlingensief" - Libération, Paris
- "Découvrir Schlingensief" - Nouvelle Observateur, Paris
- "Ich ALS Ich" - Gespräch der "theatertreffen"-Zeitung mit Angela Jansen
- Unpolitisches Regietheater... - Der Donaukurier vom 21.05.2005
- Die Würde der Bewegungslosigkeit - Der Standard vom 27.12.2004
- "Mir geht es gut. Ich kann mich nur nicht bewegen." - Angela Jansen in BILD
- Im Auge des Theatersturms - Ein Augenzeugenbericht von Angela Jansen
- Kunst & Gemüse Bilderstrecke - Exklusive Eindrücke von Proben und Premiere
- "Der Feind im eigenen Körper" - ALS-Beitrag von Gerald Traufetter (SPIEGEL)
- "Ich bin noch lange nicht da, wo es nicht weiter geht" - STERN-Beitrag zur ALS
- "Darstellung ohne Schaustellung" - Begleitwort von Dr. Thomas Meyer, Charité
- "Kunst & Gemüse" Pressespiegel - Das schreibt die Presse zur Premiere
- Angela Jansen über "Kunst & Gemüse" - Exklusiv-Interview m. Angela Jansen
- "Ich bin nicht krank, ich kann mich nur nicht bewegen" - Biografie A. Jansen
- "Theater ALS Krankheit" - 6. Tagesbericht: die Krankheit des Theaters selbst
- "Mein lieber A.," - Ein Brief von Regisseur Hosea Dzingirai an A. Hipler
- Schlingensief und Jörg Immendorff gegen tödliche Nervenkrankheit ALS
- "Wir müssen den WIR-Begriff erweitern!" - Fünfter Probenbericht vom 12.11.
- "Alles Theater rund um die Wirklichkeit" - Vierter Probenbericht vom 11.11.
- "Theater hinterläßt – nichts" - Jean-Luc Godard über "Kunst und Gemüse"
- "Nachschublinien" - Dritter Tagesbericht v.d. Endproben zu "Kunst & Gemüse"
- "Reproduktion des Unproduzierten" - Martin Kippenberger im Gespräch
- "Agonie des Realen" - Zweiter Probenbericht aus dem Innern der Volksbühne
- Tonal, atonal, total - Erste Expressionen der "Kunst & Gemüse"-Endproben
- "Alles in Großaufnahme" - Kerstin Grassmann zur Arbeit mit Hosea Dzingirai
- "Er ist die Musik" - Christoph Schlingensief im Gespräch m. Peter Laudenbach
- Biografie Hosea Dzingirai - Profil des aus Simbabwe stammenden Regisseurs
- "Kunst der Geistestätigkeit" - Interview mit dem Regisseur Hosea Dzingirai
- "Eine Art von Selbstbefreiung" - Marcel Duchamp über seine Ready-Mades
- Biografie Marcel Duchamp - Ein Kurzportrait des Hipler-Mitwirkenden
- Was ist die ALS? I - Informationen zur Amyotrophen Lateral Sklerose (ALS)
- www.immendorff-stipendium.de - Forschungsarbeit zur ALS Krankheit
- www.schlingensief-als.de - Projektseite der Charité Berlin und C. Schlingensief
- www.als-charite.de - Grundlegende Informationen zu ALS (Charité Berlin)

Kunst & Gemüse

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- Gastspiel 2006 in Paris


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KUNST UND GEMÜSE,
A. HIPLER


Präsentiert von der Volksbühne Am Rosa-Luxemburg-Platz

Regie: Hosea Dzingirai, Co-Regie: Park Yung Min, Buch: Angela Jansen

Darsteller: Karin Witt, Maria Baton, Kerstin Grassmann, Katharina Schlothauer, Christiane Tsoureas, Ulrike Bindert, Anna Warnecke, Andrea Erdin, Reami Rosignoli, Peter Müller, Horst Gelonneck, Maximilian von Mayenburg, Christian Roethrich, Arno Waschk und das Schöneberger Schönberg-Orchester e.V. , Mario, Babba, Winnie, Simon und King David

Eine Christoph-Schlingensief-
Produktion

Bühne: Thekla von Mülheim, Marc Bausback, Tobias Buser; Kostüm: Aino Laberenz; Video: Monika Böttcher; Videoassistenz: Heike Schnepf; zusätzliche Videos: Meika Dresenkamp, Robert Kummer; Musikalische Leitung: Uwe Altmann; Dramaturgie: Carl Hegemann; Dramaturgische Beratung: Henning Naß; Künstlerische Mitarbeit u. Internetredaktion: Jörg van der Horst; Licht: Torsten König; Ton: Wolfgang Urzendowsky; Regieassistenz: Sophia Simitzis; Kostümassistenz: Anne-Luise Vierling; Webdesign: Patrick Hilss; Inspizienz: Karin Bayer; Regiehospitanz: Sarah Bräuer, Hedi Pottag, Kai Krösche; Betreuung: Nathalie Noell

Mit besonderem Dank an: Dr. Thomas Meyer (Charité Berlin) und Jörg Immendorff


Premiere am 17.11.2004 im Großen Haus der Volksbühne Berlin





Externe Links

- Charité ALS-Seite

- Immendorf-Stipend.

- Schlingensief-ALS

- Volksbühne Berlin