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"Theater hinterläßt – nichts"
Regisseur Jean-Luc Godard über "Kunst und Gemüse", Film im Theater und multiple Haushälterinnen.
Monsieur Godard, man ist verblüfft und verschreckt zugleich, Sie auf den Brettern der Volksbühne zu sehen? Suchen Sie nach einem neuen Medium? Ist Film zu Ende?
Godard: Mein Film steht ganz außen. Das aktuelle Geschehen verfolge ich nur noch ein bißchen. Die Trailer ersparen mir das Anschauen der Filme. Manchmal schaue ich mir was an, aber nur aus Schwäche. Ich gucke z.B. "Matrix" oder irgendwelche Spionagefilme an. Grundsätz- lich sehe ich lieber einen schlechten amerikanischen Film als einen schlechten bulgarischen.
...Wenn Sie in Bulgarien sind?
Godard: Das gilt für alle Länder der Welt: Die Deutschen ziehen einen schlechten amerikanischen einem schlechten deutschen Film vor. Im amerika- nischen Kino gibt es immerhin eine minimale Entsprechung zwischen tech- nischem Können und der Zielsetzung.
Es gibt keinen Etikettenschwindel.
Godard: So ist es.
Und jetzt: Godard im Theater. Gehen Sie oft ins Theater?
Godard: Manchmal. Im Zuge des Älterwerdens fällt mir auf, wieviel Zeit man für braucht, um Dinge zu tun. Man kann einen Tag damit verbringen, eine Schallplatte zu hören oder ein Buch zu lesen. Das Theater ist mir zu zeitauf- wendig, es ist mir zu langsam. Soviel Zeit habe ich nicht.
Aber Sie sind in der Volksbühne. Sie spielen sogar Theater, "Kunst und Gemüse".
Godard: Das ist unpräzise. Ich spiele ja gar nicht oder spiele im radikal-konstruktivistischen Sinne mich selbst. Ich versuche, Theater zu beschleu- nigen, damit ich mithalten kann.
Sie spielen Godard, der Sie selbst sind – und Sie drehen im Stück einen Film.
Godard: Dzingirais Idee hat mich interessiert. Trotzdem habe ich ihm nur unter der Voraussetzung zugesagt, daß sich unsere Medien begegnen. Mein Theaterauftritt ist quasi ein diplomatischer Besuch.
Die Medien, mit denen Hosea Dzingirai arbeitet, müssen Ihnen vertraut sein. Haben Sie einen DVD-Player?
Godard: Ja, aber ich bin noch nicht weiter gekommen als bis zum Einstiegs- bild. Ich schaffe es nicht, den Film zu sehen. Die Fernbedienung, der Er- öffnungsbildschirm, das ist zu kompliziert. Doch das eilt nicht, ich lerne ja noch. Oder ich bezahle eine Haushälterin, die mit DVD, Internet und Handy umgehen kann.
Schreiben Sie E-Mails?
Godard: Ich habe eine Schreibmaschine. Allerdings gibt es nichts Großar- tigeres als die Kommunikation mit der Dramaturgin, Frau Jansen. Das fasziniert.
Teilen Sie die Ansicht vieler Theatermacher, daß das digitale Video die Verwirklichung des multiplen Theaters ist?
Godard: Was, bitteschön, soll das sein: multiples Theater? Das sind Phrasen.
Wenn das Video auf der Bühne derzeit so modern ist, so verdankt sich das aber weitgehend dieser Sicht der Dinge.
Godard: Das ist eine falsche Leichtigkeit, die eher intellektuell ist als sonst irgendwas und die es erlaubt, an der Sache vorbei zu reden.
Man hat den Eindruck, daß das Bild beim digitalen Video mehr Schärfe hat.
Godard: Das ist richtig, jaja, aber das bedeutet – nichts. Es gibt kein Scharf- stellen mehr, keine Perspektive, alles ist scharf und unscharf zugleich. Es gibt keinen Lichtabdruck mehr.
Hat Theater Ihre Medien okkupiert?
Godard: Theater wird sich noch wundern, wer hier wen okkupiert hat. Es gibt die Samstagabend-Vorstellung, aber keine Samstagabend-Malerei. Malerei bleibt, Film auch. Theater hinterläßt – nichts.
Gar nichts?
Godard: Ich meine das so, wie ich es gesagt habe.
Worum geht es in dem Film, den Sie in "Kunst und Gemüse" drehen?
Godard: Um die Freiheit des Theaters. Und das sie zu nichts führt. Film ist Disziplin, wie die Malerei. Theater ist Nachahmung durch Ahmungslose.
Verzeihung, aber warum sind Sie dann hier?
Godard: Eine gute Frage. Um das Theater als Medium zurück zu gewinnen.
Können Sie sich eine längerfristige Bindung ans Theater vorstellen?
Godard: Sie sind ein Träumer.
...Eine weitere Zusammenarbeit mit Hosea Dzingirai?
Godard: Das ist etwas anderes.
Artikel- und Materialübersicht zu Kunst & Gemüse, A. Hipler
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Kunst & Gemüse
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KUNST UND GEMÜSE, A. HIPLER
Präsentiert von der Volksbühne Am Rosa-Luxemburg-Platz
Regie: Hosea Dzingirai, Co-Regie: Park Yung Min, Buch: Angela Jansen
Darsteller: Karin Witt, Maria Baton, Kerstin Grassmann, Katharina Schlothauer, Christiane Tsoureas, Ulrike Bindert, Anna Warnecke, Andrea Erdin, Reami Rosignoli, Peter Müller, Horst Gelonneck, Maximilian von Mayenburg, Christian Roethrich, Arno Waschk und das Schöneberger Schönberg-Orchester e.V. , Mario, Babba, Winnie, Simon und King David
Eine Christoph-Schlingensief- Produktion
Bühne: Thekla von Mülheim, Marc Bausback, Tobias Buser; Kostüm: Aino Laberenz; Video: Monika Böttcher; Videoassistenz: Heike Schnepf; zusätzliche Videos: Meika Dresenkamp, Robert Kummer; Musikalische Leitung: Uwe Altmann; Dramaturgie: Carl Hegemann; Dramaturgische Beratung: Henning Naß; Künstlerische Mitarbeit u. Internetredaktion: Jörg van der Horst; Licht: Torsten König; Ton: Wolfgang Urzendowsky; Regieassistenz: Sophia Simitzis; Kostümassistenz: Anne-Luise Vierling; Webdesign: Patrick Hilss; Inspizienz: Karin Bayer; Regiehospitanz: Sarah Bräuer, Hedi Pottag, Kai Krösche; Betreuung: Nathalie Noell
Mit besonderem Dank an: Dr. Thomas Meyer (Charité Berlin) und Jörg Immendorff
Premiere am 17.11.2004 im Großen Haus der Volksbühne Berlin
Externe Links
- Charité ALS-Seite
- Immendorf-Stipend.
- Schlingensief-ALS
- Volksbühne Berlin
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