 |
 |
|
 |
 |
Deutscher Pavillon 2011: Christoph Schlingensief
"Ich bin überrascht, wie stark seine Ideen für sich stehen – auch ohne ihn" (art Kunstmagazin)
Auf der Biennale vertritt Christoph Schlingensief Deutschland im nationalen Pavillon. Wie aber macht man eine Ausstellung mit einem toten Künstler, der eine große Show plante, aber nicht mehr ausführen konnte? Susanne Gaensheimer, Kuratorin des deutschen Pavillons, erzählt im art-Interview über die Pläne, die Schlingesief für Venedig hatte, und ihre Gratwanderung zwischen Ehrung und Verklärung.
Frau Gaensheimer, wie haben Sie Christoph Schlingensief eigentlich kennengelernt?
Ich habe ihn zum ersten Mal im März 2010 in Berlin getroffen. Da wusste ich noch nicht, dass ich ihn zur Biennale einladen werde. Ich wollte allgemein mit ihm darüber sprechen. Damals hatte ich drei Künstler in der engeren Auswahl. Ich suchte ihn in seiner Berliner Wohnung auf, das war an einem Vormittag. Dann wurde aus dem geplanten einstündigen Treffen ein intensives Gespräch von drei, vier Stunden. Und dabei wurde mir klar, dass ich den deutschen Pavillon mit ihm machen möchte.
Aber sie hatten vorher nie eine Ausstellung mit ihm gemacht?
Nein. Aber ich kannte natürlich seine Arbeiten. Seine Arbeit in Venedig 2003, die "Church of Fear" und die Pfahlsitzer-Aktion, fand ich die stärkste Arbeit der ganzen Biennale. Ich komme aus München und kenne Christoph Schlingensief noch von seinen frühen Filmen, die im Münchner Werkstattkino liefen. Ich interessierte mich damals schon sehr für Film und habe mich auch in meiner Arbeit im Kunstverein und im Museum viel mit Film beschäftigt.
Was machte Christoph Schlingensief für Sie so relevant für den deutschen Pavillon?
Mir ging es bei dem Pavillon sehr stark darum, jemanden einzuladen, der diese ganzen Mechanismen nicht wiederholt. Man kann auch an den vorangegangenen Beiträgen sehen, etwa Liam Gillick letztes Mal, dass die Künstler in ihrem Wahrnehmungsmechanismus feststecken. Und ich fand es sehr reizvoll, jemanden auszuwählen, der einen völlig anderen, freieren Zugang dazu hat, der nicht so sehr von den typischen Kunst-Codices belegt ist und der in seiner Arbeitsweise die Kategorien der Kunst öffnet. Christoph sah den Pavillon nicht als Ort, wo man erstmal vor Ehrfurcht in die Knie geht und sich dann letztendlich selbst monumentalisert, sondern als neutralen Ort, den man vielseitig nutzen kann. Was mich grundsätzlich bewegt hat, war seine Haltung in seiner Arbeit. Meine erste Frage war, nehme ich einen ausländischen Künstler oder einen deutschen? Wäre das für mich unrelevant gewesen, dann hätte ich mich vielleicht für einen ganz anderen Künstler entschieden. Doch ich finde, an diesem Ort kann man die Frage 'Was ist nationale Repräsentation?' nicht einfach ignorieren.
Ist Christoph Schlingensief ein typisch deutscher Künstler?
Mir war wichtig, einen Künstler meiner Generation auszuwählen, also jemanden, der die politische, gesellschaftliche und kulturelle Identität dieses Landes aus der selben Perspektive wie ich wahrgenommen hat. Das hat mich am seinem Werk immer fasziniert, dass man sich damit indentifizieren konnte, ein bisschen so, als wäre man in der gleichen Szene aufgewachsen. Er hat mit seinen Arbeiten gezeigt, dass die Frage nach dem Wesen der Bundesrepublik Deutschland nicht mit der Analyse des Zweiten Weltkriegs aufhört, dass danach noch viel kam, die Wiedervereinigung zum Beispiel. Außerdem fand ich auch Christoph Schlingensiefs Afrika-Projekt total wichtig, denn damit hat er in meinen Augen gezeigt, dass er die Fragestellungen, die er immer auf die deutsche Gesellschaft angewendet hat, in einen transnationalen Kontext übertragen konnte. Da geht es auch ganz stark um Fragen zum Verhältnis von Deutschland in einer globalisierten Welt und zu den sogenannten Dritte-Welt-Ländern. Das sind natürlich hochinteressante Fragen für den deutschen Pavillon.
Wie hat Schlingensief auf die Nominierung reagiert? Sie kam ja kurz nach seiner Krebserkrankung, wo er sich eigentlich mehr Ruhe gönnen wollte.
Er hat sich wohl sehr darüber gefreut. Dennoch war er sehr überrascht, als ich ihn am Ende unseres dreistündigen Gesprächs fragte, ob er den deutschen Pavillon bespielen wollte. Am nächsten Tag kam dann folgende SMS: "Wenn wir uns gegenseitig versprechen, jede – und sei sie auch noch so blöde – Idee aussprechen zu dürfen (ohne Peinlichkeitsgefühl, obwohl auch Peinlichkeit ein großes Produktionspotential besitzt), dann würde ich eigentlich sehr gerne JA sagen"
Ein deutsches Zentrum für Wellness und Vorsorge.
Wie lief die praktische Arbeit ab?
Wir haben dann direkt danach, im April 2010, unsere Pressemitteilung vorbereitet, und die Art und Weise, wie er seinen Teil in der Pressemitteilung gestaltet hat, gab uns schon einen Eindruck, wie die Zusammenarbeit ablaufen wird. Es war ein tagelanges Hin und Her, wo alle möglichen Leute involviert waren, unter anderem auch der Dramaturg Carl Hegemann – der sollte ausdrücklich mit im Boot sein, hatte Christoph gesagt –, und um einzelne Formulierungen gerungen wurde, das war auf einem extrem hohen intellektuellen Niveau. Ich finde diesen Text auch im Nachhinein so gut, dass ich ihn in den Katalog aufgenommen haben. Kurz darauf kam er schon mit ersten Ideen.
Was hatte er sich denn für den Pavillon vorgestellt?
Er wollte zuerst aus dem Pavillon ein Wellness Center Afrika machen. Irgendwann wurde daraus das deutsche Zentrum für Wellness und Vorsorge. Es sollten in dem Pavillon ein funktionierendes Schwimmbad und eine Sauna sein, Kältebehandlungen und Massagen sollten dort angeboten werden – und auch "afrikanisches Ayuveda". Darüber hatte er sich ja schon in der Oper "Mea Culpa" lustig gemacht. Er hatte sich vorgestellt, dass wir mit einer afrikanischen Firma eine Lehmarchitektur einbauen, und Pflanzen und Vogelgezwitscher im Hintergrund. Das wäre das Setting gewesen. Er hatte eine Schweizer Firma ausfindig gemacht, die anhand von Speichelabstrichen die ursprüngliche Blutabstammung zurückverfolgen kann, also von welchem Volk wir abstammen. Die hätten im Pavillon einen Stand haben sollen. Dann hätte es eine CT-Röhre geben sollen für Vorsorgeuntersuchungen. Und es hätte ein Filmpanorama von der Baustelle des Operndorfes in Burkina Faso geben sollen und eine Filmcollage mit seinen eigenen Filmen und Theatersachen, auch den ganz harten pornografischen Szenen. Das hätte sich stellenweise zuspitzen sollen zu einer Art filmischer Folterkammer.
Und was hatte er mit der Fassade des Pavillons vor?
In Bezug auf die Biennale-Geschichte hat er sofort über Weltausstellungen, Brüssel zum Beispiel, gesprochen und den Hagenbeckschen Zoo, wo ja noch bis in die späten 1950er Jahre Menschen ausgestellt wurden. Darauf hätte er Bezug nehmen wollen und im Außenraum Käfige aufstellen lassen, in denen alle möglichen Freunde aus Afrika Sachen gemacht hätten, zum Beispiel der afrikanische Computerdoktor, der Maler, der Bilder im Stil von Gerhard Richter gemalt hätte. Dann wollte er vor die Fassade des Pavillons eine Attrappe bauen im Stil des "Total verrückten Wirtshaus", wo mittendrin eine riesige Negermaske mit dicker Unterlippe donnernd lacht.
Wow, das wäre ja sensationell gewesen...
Aber das hätten wir vielleicht gar nicht alles realisieren können. Ich wäre allein was das Finanzielle angeht wahrscheinlich tausend Tode gestorben. Aber das war noch nicht alles: Er wollte auch noch, dass man von außen auf den Pavillon gehen und im Sinne eines Panoptikums von oben auf das Geschehen blicken konnte. Er hatte darüber nachgedacht, den Pavillon selbst als eine Art Kamera zu benutzen und auf diese Weise einen Perspektivenwechsel herzustellen. Das waren einige der Ideen, und an denen haben wir gearbeitet. Es gab Arbeitssitzungen, da saßen wir alle zusammen, seine Frau, die Kostümbildnerin Aino Laberenz, war immer dabei, Carl Hegemann, Meike Fischer von der Festspielhaus-Afrika GmbH und unser Pressesprecher Markus Müller. Für Juni 2010 hatten wir eine große Pressekonferenz zu seinen Ehren im MMK in Frankfurt geplant. Davor war er noch mal in Afrika, dann war die Premiere seines Stückes "Via Intoleranza II" in München. Da ging es ihm noch blendend, die Aufführung war absolut großartig, zwei Tage später musste er ins Krankenhaus und die Pressekonferenz musste ohne ihn stattfinden. Am selben Abend war klar, dass sich Metastasen gebildet hatten und er musste sofort Bestrahlung bekommen. Von da an trafen wir uns in seiner Berliner Wohnung. Irgendwann fiel eine Arbeitssitzung aus, Christoph musste ins Krankenhaus, und eine Woche später war er tot.
Was ist Ihnen zu allererst durch den Kopf gegangen, als Sie diese Nachricht bekamen?
Ich weiß nicht mehr genau, was mir da durch den Kopf gegangen ist, das war wie eine Starre. Und natürlich wollten alle sofort wissen, was ich jetzt mache. Ich weiß nur noch, es war ein Samstag, ich war mit meinen Kindern auf dem Spielplatz, da mache ich immer das Telefon aus. Plötzlich sehe ich eine SMS von Meike, eine von Aino und eine von Markus. Da wusste ich, was los ist. Das war vormittags, und nachmittags um 14 Uhr hatte ich den ersten Journalisten auf meinem Handy. Das war echt der Horror. Als ich ihn damals eingeladen hatte, war ich so sicher, dass er das schafft. Klar hat man gesehen, dass er krank war, aber er hatte noch so viel Energie, er wollte 2014 in München noch den "Tristan" inszenieren.
Und was dachten Sie, wie es mit dem Pavillon weitergeht?
Was für mich gar nicht in Frage kam, dass ich jetzt einen anderen Künstler beauftrage. Dabei gab es regelrechte Forderungen von Außenstehenden, dass ich genau das tun soll und zwar schnell. Ich hatte mich wirklich mit vollster Überzeugung für Christoph Schlingensief entschieden. Aber ob das überhaupt geht, etwas ohne ihn zu machen, das wusste ich nicht. Ich kannte ja auch kaum jemanden aus seinem Bereich, gerade mal Carl und Aino, und wusste nicht, was sich nach dem Tod da jetzt unter seinen engeren Mitarbeitern und Vertrauten tut und wer da was für eine Rolle hat. Mindestens sechs Wochen sind vergangen, in denen ich abgewartet habe. Den Ausschlag gab dann ein Gespräch mit Aino, in dem sie sagte: Ganz ehrlich, Christoph hatte sich so gefreut auf den Pavillon, das war für ihn neben Afrika das wichtigste Projekt.
Wie ging es dann weiter?
Die grundsätzliche Entscheidung war, dass wir seine Ideen nicht ohne ihn realisieren. Ich habe dann eine kleine Arbeitsgruppe gebildet, das waren zunächst Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz, Carl Hegemann, der Bühnenbildner Thomas Goerge und ich. Im weiteren haben wir mit Chris Dercon, Alexander Kluge und Matthias Lilienthal als Beratern gearbeitet, und später, als es konkret wurde, kamen solche Leute wie der Beleuchter Voxi Bärenklau, Heta Multanen, die für ihn Videotechnik gemacht hat, und Frieder Schlaich von der Filmgalerie 451 dazu, der Christophs Filmrechte vertritt. Dann haben wir verschiedene Ideen durchgespielt. Ich hatte zunächst die Idee, Schlingensiefs "Parsifal" aus Bayreuth nach Venedig zu holen und habe mit Katharina Wagner Kontakt aufgenommen. Außerdem haben wir uns angesehen, wo überall Arbeiten von Christoph verfügbar sind. Zwischendurch hatte ich auch mal die Idee, den Pavillon leer zu lassen und in einem Raum irgendwo anders in Venedig eine richtige Retrospektive zu machen. Aber mir ist sehr schnell klar geworden, dass das in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren ist. Deshalb sind wir irgendwann zum Schluss gekommen: Wir reduzieren die Ausstellung im Pavillon auf einige wenige Aspekte. Im Hauptraum bauen wir das Bühnenbild von einem Fluxusoratorium "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir", das 2008 auf der Ruhrtriennale lief, wieder auf. Die Bühne ist hier der Nachbau von Christophs Taufkirche aus Oberhausen.
Spielt sein filmisches Werk in Venedig auch eine Rolle?
Das war mir sehr wichtig. Die Kinofilme bekommen einen eigenen Raum, einen richtigen Kinosaal, in dem eine Auswahl von sechs Filmen gezeigt wird – nicht nur, damit man sie ganz sehen kann, sondern auch damit die filmische Sprache als Bild da ist, dass sie Eingang findet in unseren Kanon der Gegenwartskunst. Wenn man an Leute wie Paul McCarthy, Jonathan Meese oder Andreas Hofer denkt und mal anschaut, was Christoph Schlingensief schon in den frühen achtziger Jahren gemacht hat, das ist unfassbar. Und auch sein Afrika-Projekt bekommt einem eigenen Raum.
Zur Vorbereitung hatten Sie viel mit Dramaturgen, Bühnenbildnern und Beleuchtern zu tun. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Theaterleuten von der mit Leuten aus der bildenden Kunst?
Das war für mich sehr bereichernd. Die Diskussionen fanden auf extrem hohem intellektuellen Niveau statt und es gab eine stärkere geistige Beweglichkeit, als ich das aus der bildenen Kunst kenne. Auch die Leute, die eher für die technische Umsetzung zuständig sind, überlegen sich sehr genau, dass alles, was sie machen, auch eine inhaltliche Aussage hat. Jede formale Entscheidung ist an eine inhaltliche Zielsetzung geknüpft. Das war auch aus kuratorischer Hinsicht sehr interessant.
Sie mussten sich ständig in Christoph Schlingensief hineinversetzen. War das nicht auch eine große Last?
So traurig und stark das Fehlen von Christoph uns permanent bewusst war, so bereichernd fand ich diese Arbeitssituation. Es ist auch nicht so, wie man landläufig immer denkt, dass bei Christoph Schlingensief alles völlig chaotisch und improvisiert war. Da war nichts chaotisch, alles war total kalkuliert und genaustens geplant bis in die kleinsten Details. Diese gewisse provisorische Ästhetik kommt nicht daher, dass er irgendetwas irgendwie zusammengehauen hat, sondern oft hat er eine Perfektion, die von den Bühnenbildnern hergestellt wurde, absichtlich wieder zurückgenommen, hat also ganz bewusst in seinen Filmen diese trashige B-Movie-Ästhetik erzeugt und auf der Bühne dieses Provisorische. Das war eine bewusste inhaltliche Entscheidung.
Schlingensiefs Arbeiten lebten aber stark von seiner Person, seiner Erfahrungswelt und seiner eigenwilligen Aneignung aktueller politischer und sozialer Fragestellungen. Findet jetzt eine posthume Verklärung seines Werks statt?
Das glaube ich nicht. Jedenfalls nicht von denen, die ihm sehr nahe standen. Es herrscht der dringende Wunsch, das Werk am Leben zu erhalten.
Wie sieht es rechtlich aus? Hält Christoph Schlingensief oder halten seine Erben die Rechte an all seinen Projekten?
Das ist ein schwieriges Thema. Hätten wir etwa seine Bayreuther "Parsifal 2"-Inszenierung nach Venedig gebracht, wäre das rechtetechnisch wahnsinnig schwierig geworden. Denn jeder einzelne Sänger hält da die Rechte an seinem eigenen Bild. Grundsätzlich ist es so, dass Aino Laberenz Erbin und Rechteinhaberin ist. Das gilt aber nur für die Stücke, die er selbst geschrieben hat. Was das Bühnenbild angeht, hat Thomas Goerge einen Großteil der Rechte, weil er das entworfen hat. Und im Falle des Operndorfs in Afrika hält Architekt Francis Kerré die Rechte an seinen Architekturentwürfen. Da muss sehr viel diskutiert werden, denn natürlich hat auch jeder berechtigte finanzielle Ansprüche. Was das Finanzielle angeht, ist das übrigens sehr schwierig, weil das Theater mehr Geld hat als etwa die Kunst und es da zum Teil ganz absurde Honorarerwartungen gibt. Zum Beispiel die Techniker der Ruhrtriennale, die das Bühnenbild der "Kirche der Angst" im deutschen Pavillon installiert haben, verlangen 550 Euro Tagesgage. Da bin ich schon extrem dankbar, das wir soviel Unterstützung bekommen haben und wir das alles finanzieren konnten.
Die Kommissare des deutschen Pavillons klagen immer wieder über fehlendes Geld. Kommen Sie mit dem Budget aus?
Ganz schwieriges Thema. Sie müssen sich mal vorstellen, alle Wirtschaftssponsoren, die im Gespräch waren, haben sich Ende des Jahres zurückgezogen. Über die wahren Gründe kann ich nur spekulieren. Die Deutsche Bank sagt, sie möchte sich global positionieren, Hugo Boss, mit der wir sieben Monate im Gespräch waren, sagen plötzlich, nein, sie fördern lieber andere Künstler auf der Biennale. Audi wollte auf einmal doch nur die Neue Pinakothek fördern. Ich vermute aber schon, dass das mit Christophs Tod zu tun hat. Das ist zu unkalkulierbar, das Risiko ist zu groß und der Tod kein attraktives Werbemittel. Jedenfalls hatte ich am Ende des Jahres außer der Sockelfinanzierung des Auswärtigen Amts kein Geld. Das habe ich alles jetzt erst eingeworben bei privaten Förderern und Sammlern, die das Projekt sehr großzügig unterstützt haben, und durch eine deutliche Etaterhöhung durch das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut. Jetzt habe ich etwa 880 000 Euro, das ist mehr, als der Pavillon je hatte.
Im Hauptraum des deutschen Pavillons zeigen Sie nun das Bühnenbild eines Theaterstücks, aber es gibt keine Aufführung. Kann man das eigentlich noch als authentisches Werk von Christoph Schlingensief bezeichnen?
Wir haben dieses Bühnenbild ganz bewusst gewählt, weil es auch eine eigenständige Installation ist. Das hat Christoph selbst auch immer betont. Ich bin überrascht, wie stark seine Ideen für sich stehen – auch ohne ihn. In die "Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" fließt ja alles ein, Christophs spezifischer Umgang mit seiner Krankheit, der ist sehr subjektiv und offen, das kenne ich so von keinem anderen Künstler. All das wird man in den Videofilmen sehen, auch das Biografische und rückhaltlos ehrliche, aber auch seine Beschäftigung mit Wagner und Joseph Beuys, das sind ja alles Sachen, die man im Pavillon sehen wird. Dann gibt es aber auch diese unglaublich lustigen Fluxus-Parodien, die er auf 16-Millimeter gedreht hat und die Teil der Installation sind. Da wird es vielleicht auch negative Reaktionen geben. Alles, was Christoph macht, bewegt sich ja in einer Ambivalenz zwischen Parodie und ernsthafter Beschäftigung. Fluxus und Joseph Beuys waren für ihn total wichtig und trotzdem macht er sich darüber lustig. Oder die Kirche, das ist einerseits eine richtige Kirche, andererseits gibt es permanent Brüche, die diesen Ort eindeutig zur Nicht-Kirche machen. Bei Christoph Schlingensief gibt es eben die permanente Paradoxie, den "positiv gelebten Selbstwiderspruch", so hat er das genannt.
Interview: Ute Thon, art magazin, 1.6.2011
Materialübersicht zur Biennale di Venezia 2011
|
 |
 |
 |
|
 |