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INTENSIVSTATION Kolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Neue Seite
Berliner Seiten |
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.2000, Nr. 203, S. BS6 |
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Intensivstation
13. Zuerst einmal herzlichen Dank für die großartige Resonanz auf den Artikel der
letzten Woche. Wieder gleich zur Sache: Mark O'Brian ist echt! Er liegt tatsächlich seit
30 Jahren in einer eisernen Lunge. Klar, daß sich das viele nicht vorstellen können bei
ihrem dämlichen Herumgehänge in Berliner Kneipen oder
Herumgehopse in Volksbühnen, Schaubühnen oder bei Hochhuths grandiosem Laientheater im
BE. Es gibt tatsächlich Menschen, die liegen einfach nur rum. Und trotzdem haben beide
Kampftruppen etwas gemeinsam. Beide vertrauen - bewußt oder unbewußt - auf äußere
Kraftfelder, die über ihr trostloses Herumhängen hinwegtäuschen und ihnen den Strom
für einen Kaltstart schenken.
Nur am Rande sei Paulus erwähnt, der die 6. oder 7. Brigade oder Armee oder Kampftruppe
in Stalingrad oder um Stalingrad nur durch kleine Grußmeldungen des Reichskanzlers bis an
ihr gnadenloses Ende führen konnte. Paulus verschwand in der DDR (bitte nicht mehr Ex-DDR
schreiben) und seine Kämpfer in russischen Lagern. Paulus tankte Einsamkeit, die
gefangengenommenen Kämpfer Hoffnung. Und Hoffnung verbindet. Will sagen, Familien sind
morphologische Gebilde. Der Vater hat Krebs, und der Sohn bildet sich Krebs so lange ein,
bis auch er welchen hat. Auf meiner Station leben fast 90 Prozent der Anwesenden den Tod
ihres Vaters nach. Die restlichen 10 Prozent tun so, als hätten sie etwas Neues gefunden.
Das Neue ist aber nicht wirklich neu, sondern nur rekapituliert. Und Paulus hat
rekapituliert (Wiederholung gescheiterter "kapitulierter" Vorgänge), damit der
Reichskanzler beweisen konnte, daß alles echt wahr. Lassen sie sich also auch diese Woche
nicht von Kanzler Schröder täuschen, der durch den Besuch der DDR den Bewohnern der DDR
die Energie zum Überleben schenken will, die sie sich bereits durch Ausländerhaß
verschafft haben. Ein Schröder sucht nur nach Beweisen, um den unausweichlichen Untergang
zu beweisen. Das will Doris, das wollte Schäuble, und das wußte auch Baumeister. Die
Tränen einer Baumeister sollen nur vermitteln, daß alles umsonst war: Die Lüge, die
Liebe zu Kohl und die Hoffnung auf Rente. Packt endlich eure Sachen und verpißt euch von
unserer Station! Eure Krankheit ist geheuchelt und für uns völlig uninteressant.
Ich gebe Schröder nur noch 1 1/2 Jahre. Scharping hat sich schon verliebt. DER KRIEG
GEGEN DIE SPD IST ERÖFFNET! Ein Aufruf, der uns Patienten sicher nicht zusteht, da wir
schon mit uns genug zu tun haben, aber wir sind das Barometer der Zeit. Und dieses
Barometer sagt: Das Ende der SPD steht vor der Tür.
CHRISTOPH SCHLINGENSIEF
Alle Rechte vorbehalten. (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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