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100 Jahre Adolf Hitler (1988/89)
Die letzte Stunde im Führerbunker
"Genial!" FR
"Scheisse!" FAZ
"Gefährlich!" TAZ
"Es gibt noch Filme, die dich aus der Kurve tragen, dich und den täuschenden Vorschein von Ästhetischen und politischen, intimen und historischen Gewissheiten." TIP
"Schlingensief hat schon viele Filme gemacht, die bei den Mitwirkenden und Zuschauern die Schmerzgrenze berühren. Die Banalität des Bösen, hier wird sie zum Ereignis." P. W. Jansen, EPD FILM
Ein Licht, ein Tag, ein Führer. In 16 Stunden in einem Bunker gedreht. Carstensen, Spengler, Kausch, Kuhlbrodt, Edel, und Udo Kier als
Göring, Goebbels, Fegelein und Hitler. "Laß Sie Dir schmecken, die Nüsse der Russen! Du Nazivotze!"
INHALT
"Neun Personen, fünf Männer, vier Frauen, von einem Handscheinwerfer aus dem Dunkel herausgezerrt, belauern sich. Wir sehen die letzte Stunde im Führerbunker. In knapp 16 Std. an einem Stück gedreht, in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. l00 Jahre Adolf Hitler zeigt Inzest und Intrigen, Getöse und Krawall, Drogen, Selbstmord, Blasphemie. Hier wird endlich klar: Die Zeit der pädagogischen Hitlerbeschwörung ist vorbei. Hitler wohnt gleich nebenan und zeigt die große Geste und den Abgrund und das Lachen, wenn alles gut gegangen ist. Das größte Geheimnis der Menschheit, hier wird es zum Ereignis: Wir selbst!" FAZ
Der 60-Minuten-Film 1OO JAHRE ADOLF HITLER (1989) wurde an einem einzigen Tag gedreht und kommt damit einer Live-Ereignis schon ziemlich nahe. Charakteristisch für das Schlingensiefsche Cinema direct ist der lieblos wirkende und dabei doch sehr präzise Schnitt. Er kennt keine fließenden Übergänge, sondern prägt den andauernd bruchstückhaften Charakter der Filmhandlung. Diesen finden wir später - beinahe identisch - in Schlingensiefs Theaterarbeiten, insbesondere auch in seinen TV-Shows (TALK 2OOO, U 3OOO) wieder.
Die Leinwand ist für das Dargestellte unweigerlich zu klein; ungenügend groß werden bald schon Bühnen und Fernsehstudios sein. Spätestens seit 1OO JAHRE ADOLF HITLER ist das Überschreiten von Konventionen, von Wert- und Moralvorstellungen, das schnell ins Peinliche und Entblößende entgleiten kann, beständige Thematik von Schlingensiefs (Film-)Arbeiten.
Bloßgestellt wird jedoch niemals der Einzelne, es ist immer die Gesamtheit der Menschen - auf und vor (!) der Leinwand - als zufällige gesellschaftliche Auswahl.
1OO JAHRE ADOLF HITLER ist Schlingensiefs bis dorthin wichtigster und viel beachtetster Film. Er bringt ihm seitens seiner Fürsprecher den Ruf ein, "der letzte deutsche Heimatfilmer" (G. Seeßlen) zu sein, der mittels Brüskierung Aufruhr entfacht, um Harmonie und schließlich Heimat zu finden. Mit der Hitlerfigur, die von nun an häufig in seine Arbeit `einmarschiert´, legt Schlingensief die Hand - sprich die Kamera, die Handkamera - in die offenste aller deutschen Wunden. Hier ist Hitler keine vergangene Personalkatastrophe, sondern die Fratze des absurden Menschen an sich, der sich als elternlos, als höheres Wesen begreift, dessen völlige Monstrosität jedoch nicht in die Anstalt, sondern an die Macht führt und drauflos wütet.
Man begreift 1OO JAHR ADOLF HITLER weniger durch die Frage, wo der Film hin will, was er `erreichen´ will, sondern eher durch die Frage, wovor sie weglaufen, vor wem sie fliehen - und dabei eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
DATEN: 100 Jahre Adolf Hitler
BRD 1988/89
Regie: Christoph Schlingensief. Regie-Assistenz: Uli Hanisch, Ariane Traub. Buch: Christoph Schlingensief; nach seinem Theaterstück. Kamera: Foxi Bärenklau. Kamera-Assistenz, Standfotos: Christian Deubel. Ausstattung: Uli Hanisch. Requisite: Ariane Traub. Schnitt: Thekla von Mülheim (= Christoph Schlingensief); Assistenz: Volker Bertzky. Ton: Günther Knon; Überspielung: Andreas Wölki. Mischung, Musik: Tom Dokoupil.
Darsteller: Volker Spengler, Brigitte Kausch, Margit Carstensen, Dietrich Kuhlbrodt, Alfred Edel, Andreas Kunze, Udo Kier, Marie-Lou Sellem, Asia Verdi, diverse Kinder, ein Hund.
Produktion: DEM Filmproduktion, Mülheim / Hymen II; mit Unterstützung von Madeleine Remy Filmproduktion, Berlin/West. Produzent: Christoph Schlingensief. Produktionsleitung: Christian Fürst, Ruth Bamberg. Drehzeit: 28.11.1988 (8.30 Uhr) - 29.11.1988 (2.30 Uhr). Drehort: Mülheim (Bunker Bergstrasse).
Länge: 60 min. Format: 16mm, s/w, 1:1.33.
Uraufführung: 18.2.1989, Berlin (IFF - Forum).
Szenen mit Dieter Lersch und Volker Bertzky fanden im fertigen Film keine Verwendung.
Weiterführende Texte zu Schlingensiefs Filmen
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